Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung bei der Verwalterwahl durch die Mehrheitseigentümer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die strengen Protokollvorschriften der § 6 159 ff ZPO nicht.

2. Eine getilgte Vorstrafe kann nicht dafür herangezogen werden, daß die Verwalterwahl gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoße.

3. Wenn nach der Teilungserklärung ein Objektstimmrecht besteht, können die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung sind bei der Wahl eines neuen Verwalters durch die Mehrheitseigentümer dann verletzt sein wenn die Minderheit vor der Wahl konkrete Tatsachen gegen die Geeignetheit des vorgeschlagenen Verwalters vorträgt, die Mehrheitseigentümer diese Tatsachen aber grundlos mißachten und damit die Wahl eines Verwalters ihres Vertrauens durchsetzen.

 

Normenkette

WEG § 26 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 4; BZRG § 51; ZPO § 159 ff.; FGG § 12

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 11.04.1987; Aktenzeichen 70 II 303/85 (WEG))

LG Berlin (Beschluss vom 09.02.1980; Aktenzeichen 191 T 96/87 (WEG))

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner werden der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 9. Februar 1980 – 191 T 96/87 (WEG) – sowie der Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. April 1987 – 70 II: 303/85 (WEG) – aufgehoben.

Die Anträge der Antragsteller, den zu Top 1 Beschlußantrag 1 gefaßten Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 22. November 1985 für ungültig zu erklären, werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten aller drei Instanzen zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Verfahrens beträgt für alle drei Instanzen 5.000,– DM.

 

Tatbestand

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer der betroffenen Anlage. Der Beteiligte K. war im November 1985 Eigentümer von 40 und der Beteiligte K. von 4 Wohnungen. Nach der Teilungserklärung besteht ein Objektstimmrecht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat in der Versammlung vom 22. November 1985 zu Top 1 Beschlußantrag 1 die B. – Wohnungsverwaltungsgesellschaft mbH mit 44 Ja-Stimmen der Beteiligten K. und K. gegen 33 Nein-Stimmen der übrigen Wohnungseigentümer zur Verwalterin gewählt. Auf die Anfechtungsanträge der Antragsteller hat das Amtsgericht Charlottenburg mit seinem Beschluß vom 11. April 1987 den zitierten Wohnungseigentümerbeschluß vom 22. November 1985 für ungültig erklärt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Wahl der B. GmbH zur Verwalterin widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. An der Zuverlässigkeit der gewählten Verwalterin bestünden erhebliche Zweifel, weil sie den vorbestraften G. S. als den entscheidenden Sachbearbeiter beschäftigt haben. Er beeinflusse die Geschäftsführung im wesentlichen, weil die Geschäftsführerin Pietruszewski selbst inkompetent und nur eine von G. S. vorgeschobene „Strohfrau” sei. – Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit seinen Beschluß vom 9. Februar 1988 (nicht, wie in dem Beschlußrubrum fehlerhaft angegeben, vom 12. Februar 1988) zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht im Kern aus, der Mehrheitseigentümer K. habe der Minderheit seinen Willen aufgezwungen und damit die Gefahr neuer Streitigkeiten und gerichtlicher Verfahren heraufbeschworen. Denn G. S. sei nicht in der Lage, die Interessen sämtlicher Wohnungseigentümer zu vertreten. Insoweit bezieht das Landgericht sich zur Begründung nur auf seine Entscheidung in einem Verfahren 191 T 140/85, deren Inhalt aber weder mitgeteilt noch sonst erörtert wird. Außerdem ist das Landgericht aufgrund der von dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme auch der Überzeugung, daß die B. – GmbH inkompetent sei, weil deren Geschäftsführerin Pietruszewski nicht über ausreichende Geschäftskenntnisse verfüge. – Die Frage, welche Auswirkung die Vorstrafen des G. S. auf das für die Verwaltung erforderliche Vertrauensverhältnis haben, hat das Landgericht ausdrücklich offen gelassen.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsgegner. Sie beantragen, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Anfechtungsanträge der Antragsteller zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

I. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Verfahrensfehler.

1. Zwar ist die von den Antragsgegnern erhobene Verfahrensrüge unbegründet, die Bekundung der Zeugin P. vor dem Amtsrichter sei nicht verwertbar, weil weder die Genehmigung des Diktats noch der Verzicht auf die Verlesung der Aussage protokolliert worden ist. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die strengen Vorschriften der §§ 159 ff ZPO für das Protokoll nicht (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 12. Aufl., Rdnr. 10; Jansen, FGG 2. Aufl., Rdnr. 11 je zu § 15). Deshalb ist – anders als in den Fällen der streitigen Gerichtsbarkeit (KG FamRZ 1981, 103, 194 für den Prozeßvergl...

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