Leitsatz (amtlich)

Die Partei eines Bauprozesses kann mit dem Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens gemäß § 296 bzw. gemäß §§ 379 S. 2, 402 ZPO präkludiert werden. Hierin liegt nicht schon deshalb eine unzulässige "Überbeschleunigung", weil die Einholung eines Gutachtens unterbleibt, das bei korrektem Alternativverhalten der säumigen Partei nicht hätte vermieden werden können. Vielmehr ist eine auf den absoluten Verzögerungsbegriff gestützte Präklusion erst dann verfassungsrechtlich problematisch, wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung in ihrer konkreten Ausprägung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 357/13)

 

Tenor

Die Gehörsrüge des Klägers wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht mit seiner Klage Vergütung für Tischlerarbeiten (§ 631 Abs. 1 BGB) geltend. Die Beklagten, seine Auftraggeber, berufen sich auf Mängel. Das LG Berlin hat die Klage abgewiesen. Mit Beweisbeschluss vom 20.9.2016 hat der Senat die Beweisaufnahme über die umstrittenen Mängel durch Sachverständigengutachten angeordnet und dem Kläger die Einzahlung eines Kostenvorschusses von 1.500,- EUR bis zum 20.10.2016 aufgegeben. Auf Bitte des Klägervertreters hat der Senat diese Frist bis zum 25.11.2016 verlängert. Am 14.11.2016 hat der Senat einen Verhandlungstermin für den 20.12.2016 anberaumt. Der Kläger hat den Vorschuss nicht eingezahlt, stattdessen hat er im Termin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Mit Urteil vom 20.12.2016 hat der Senat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und dies mit der Beweislosigkeit des Klägers begründet. Mit Beschluss vom selben Tag hat der Senat das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger wendet sich mit seiner Gehörsrüge gegen die Zurückweisung seiner Rechtsmittels und beantragt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens.

II. Die zulässige Gehörsrüge des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger ist in ordnungsgemäßer Weise gerichtliches Gehör gewährt worden. Insbesondere hat der Senat bei Erlass des Urteils vom 20.12.2016 das Vorbringen des Klägers in Einklang mit Art. 103 Abs. 1 GG gewürdigt.

1. Wie auf S. 4 des Urteils ausgeführt, ist der Senat dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die umstrittenen Mängel nicht nachgekommen. Grund hierfür ist, dass der Kläger bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung nicht den ihm hierfür aufgegebenen Kostenvorschuss eingezahlt hat. Die ihm hierzu gesetzte und sodann verlängerte Frist war bereits am 25.11.2016 abgelaufen.

Aus §§ 379 S. 2, 402 ZPO folgt nun:

Selbst wenn der Kläger am 20.12.2016 den angeforderten Vorschuss vollständig eingezahlt hätte (was tatsächlich nicht passiert ist), hätte der Senat seinen unter Sachverständigenbeweis gestellten entscheidungserheblichen Vortrag zu den umstrittenen Mängeln als beweislos ansehen dürfen. Damit war der Rechtsstreit im Termin entscheidungsreif. Bei Zulassung des prozessualen "Angriffsmittels" Sachverständigenbeweis, hätte hingegen ein Gutachten eingeholt werden müssen, wodurch der Rechtsstreit verzögert worden wäre (§ 296 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1997, III ZR 246/96).

Der damit angewendete sog. absolute Verzögerungsbegriff ist verfassungskonform (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.5.1987, 1 BvR 903/85; Beschluss vom 10.7.1991, 2 BvR 206/91; BGH, Urteil vom 3.7.2012, VI ZR 120/11). Dass ein Prozess auf dieser Grundlage eventuell schneller beendet ist als bei korrektem Alternativverhalten der säumige Partei, sodass eine "Überbeschleunigung" möglich wird, macht den absoluten Verzögerungsbegriff nicht untragbar oder unverhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.5.1987, 1 BvR 903/85, Rz 35). Vielmehr ist eine auf den absoluten Verzögerungsbegriff gestützte Präklusion erst dann verfassungsrechtlich problematisch, "wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre" (BVerfG, Beschluss vom 5.5.1987, 1 BvR 903/85, Rz 35).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Eine unzulässige Überbeschleunigung ergibt sich nicht schon aus dem Umstand, dass der Kläger mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens präkludiert wird, während ein solches auch bei rechtzeitiger Einzahlung des Vorschusses hätte eingeholt werden müssen. Wäre die Präklusion des Klägers bereits aufgrund dieser Überlegung ausgeschlossen, bedeutete dies nichts anderes als die vollständige Abkehr vom absoluten Verzögerungsbegriff, der vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz aber gerade als verfassungskonform anerkannt ist (BVerfG, Beschluss vom 5.5.1987, 1 BvR 903/85, Rz 35; Beschluss vom 10.7.1991, 2 BvR 206/91).

Der vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Sonderfall, in dem die Anwendung dieses Verzögerungsbegriffs ausnahmsweise nicht zulässig ist, ist erst dann gegeben, wenn sich "ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Handeln eingetreten wäre...

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