Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 19.06.2019; Aktenzeichen 27 O 281/19)

 

Tenor

Die gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19.06.2019 - 27 O 281/19 - gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Wertstufe bis 40.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller, ein promovierter Historiker und Publizist, verlangt die Unterlassung von zehn Äußerungen die in dem Buch "X"" des Autors X enthalten sind, das in erster Auflage im September 2018 in dem Verlag der Antragsgegnerin erschienen ist.

Der Antragsteller meint, die Äußerungen enthielten unwahre Tatsachenbehauptungen und verletzten ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht nach Anhörung der Antragsgegnerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es handele sich bei den angegriffenen Passagen um zulässige Meinungsäußerungen, die ungeachtet ihrer teilweise scharfen Polemik die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreiten würden.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 22.06.2019 zugestellten Beschluss mit dem am 06.07.2019 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Er verfolgt die geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.07.2019 nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden (§§ 567 ff. ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht zu, weil er durch die beanstandeten Äußerungen nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird.

Der Senat nimmt auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss Bezug, denen er sich anschließt. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Der Antragsteller nimmt eine selektive Betrachtung der Äußerungen vor und lässt dabei den Kontext des Kapitels "X" außer Betracht. Er verkennt bereits im Ansatz, dass es bei der Abwägung der betroffenen gegensätzlichen Grundrechtspositionen - seines Rechts auf Persönlichkeitsschutz einerseits und der Publikations- und Meinungsfreiheit der Antragsgegnerin andererseits - nicht darauf ankommt, ob die inkriminierten Äußerungen sachlich gerechtfertigt sind. Solange es sich bei diesen um Meinungsäußerungen handelt, die einen Sachbezug aufweisen, der für die öffentliche Meinungsbildung von Relevanz ist, und die - wie hier - auf einer wahren Tatsachengrundlage basieren, sind diese auch bei einer ehrbeeinträchtigenden Wirkung hinzunehmen.

Die streitgegenständlichen Äußerungen stehen im Zusammenhang mit einer in der Öffentlichkeit äußerst kontrovers diskutierten Thematik, nämlich inwieweit eine in Deutschland gezeigte israelkritische Haltung und damit einhergehende Handlungen bzw. Äußerungen als antisemitisch zu bewerten sind oder nicht.

Der Antragsteller hat in der Vergangenheit Bücher zu dem Thema Nahost und Jüdische Geschichte in der Neuzeit veröffentlicht; er hält hierzu regelmäßig Vorträge. Gemeinsam mit seiner ebenfalls zu dem Thema publizierenden und vortragenden jüdischen Ehefrau hat er sechs Jahre der X Stolperstein-Initiative vorgestanden. Im Zusammenhang mit diesem öffentlichen Engagement stehen die den Antragsteller betreffenden Äußerungen in dem angegriffenen Beitrag. Diese enthalten eine zugegebenermaßen scharf bis polemisch formulierte Kritik an den Positionen des Antragstellers, liefern aber gleichwohl noch einen sachlichen Beitrag zu einer Debatte von sehr großem öffentlichem Interesse. Der Umstand, dass es sich bei dem Vorwurf des Antisemitismus gerade in Deutschland um einen Vorwurf von besonderem Gewicht handelt, ist zwar in die Abwägung mit einzubeziehen. Jedoch kann daraus nicht per se die Schlussfolgerung gezogen werden, ein solcher Vorwurf sei grundsätzlich in die Nähe der Schmähkritik oder gar einer Formalbeleidigung zu rücken, und rechtfertige deshalb ohne weiteres ein Untersagungsbegehren. Von maßgeblicher Bedeutung für das Ergebnis der Abwägung der widerstreitenden grundgesetzlich geschützten Belange ist, dass die streitgegenständliche Meinungsäußerungen an die Positionierung des Antragstellers im politischen (und/oder wissenschaftlichen) Meinungskampf anknüpfen; um die (unwahre) Behauptung innerer Tatsachen geht es nicht.

In Bezug auf die einzelnen Äußerungen sind vor diesem Hintergrund die folgenden Anmerkungen veranlasst.

1. Die beanstandete Aussage ("Das Ehepaar X ist ein weiterer Fall von bekannten "Alibi-Juden") findet sich auf Seite 108 im Anschluss an eine vom Autor vorgenommene Unterteilung, wonach es "zwei Gruppen von selbsthassenden Juden bzw. "Alibi-Juden" gebe sowie eine kritische Darstellung von Äußerungen der Frau X, welcher der...

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