Leitsatz (amtlich)

Zur Ablehnung der sog. tatgenauen Schmerzensgeldberechnung

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 13 O 341/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. November 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 13 O 341/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Berufungsstreitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Die Klägerin verlangt noch weitergehendes Schmerzensgeld, weil sie nach Mammaablation vor einer Brustaufbauoperation nicht ausreichend über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt wurde.

Das Landgericht hatte, soweit in der Berufung noch von Interesse, ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR zugesprochen.

Die Klägerin hält insgesamt mindestens 40.000 EUR, eigentlich nach der Berechnungsmethode taggenauen Schmerzensgeldes 470.886,50 EUR für angemessen. Sie ist der Ansicht, mittelschwere Gesundheitsschäden Erwachsener, die mit dauerhaften Einschränkungen verbunden seien, würden durch die bisherige Schmerzensgeldrechtsprechung nicht in angemessener Form entschädigt.

Die Beklagten beantragen Berufungszurückweisung und verteidigen das Urteil.

II. Die Berufung war zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach mündlicher Verhandlung nicht gebietet, § 522 Abs. 2 ZPO.

Zur Begründung wird zunächst auf den ausführlichen Hinweisbeschluss des Senats vom 27.4.2020 Bezug genommen. Dort hatte der Senat ausgeführt:

"Die Klägerin akzeptiert die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass ihre Behandlung nicht von schadenskausalen Behandlungsfehlern getragen ist, jedoch sie vor der Erstoperation (Brustaufbauoperation nach vorangegangener Mammaablation wegen Brustkarzinoms) keine ausreichende Risikoaufklärung erhielt und von einer hypothetischen Einwilligung nicht ausgegangen werden kann. Sie ist allerdings der Ansicht, das ausgeworfene Schmerzensgeld sei zu gering, weil ihr nur 20.000 EUR statt der mindestens verlangten 40.000 EUR zugesprochen wurden; sie meint, ihr stünden unter Anwendung der Grundsätze der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes eigentlich 470.886,50 EUR zu.

Der Senat teilt diese Ansicht der Klägerin nicht. Die Berechnung des Schmerzensgeldes durch das Landgericht begegnet keinen Bedenken; sie entspricht der st. Rspr. des BGH. Die Klägerin hat aufgrund der unzureichenden Aufklärung mehrere Operationen erdulden müssen, bleibende Narben und eine Bauchwandschwäche. Ihre Erwerbsfähigkeit und die Fähigkeit der Haushaltsführung sind jedoch nicht aufgrund dieser Operationen dauerhaft eingeschränkt. Auch die geringe Asymmetrie der Brüste kann nicht als schmerzensgeldbegründend berücksichtigt werden, weil sich die Klägerin ohne die Operation ja einer wesentlich unsymmetrischeren Situation aufgrund der karzinombedingten Mammaablation links gegenüber gesehen hätte. Für die zu berücksichtigenden Einschränkungen erscheint ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR ausreichend.

Der Senat vertritt in st. Rspr. die Auffassung, dass Entscheidungen anderer Gerichte, wie sie in Schmerzensgeldtabellen veröffentlicht werden, nicht Entscheidungsgrundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes im konkret zu entscheidenden Fall sein können; sie können jedoch im Vorfeld als Entscheidungsgrundlage und grobe Orientierungshilfe herangezogen werden. Zu diesen Entscheidungen gehört selbstverständlich auch die von Seiten der Klägerin angesprochene Entscheidung des OLG Frankfurt vom 18.10.2018 - 22 U 97/16, auch wenn diese zum einen einen Verkehrsunfall und zum anderen eine Handfraktur zum Gegenstand hat. Allerdings darf der Senat darauf hinweisen, dass das OLG Frankfurt in dieser Entscheidung nur ausgesprochen hat, dass für die sog. "taggenaue" Berechnung des Schmerzensgeldes spreche, dass diese eine "gewisse schematische Herangehensweise" biete, die "die außergerichtliche [! sic] Schmerzensgeldregulierung etwas vereinheitlichen und auch eine bessere gemeinsame Basis für die Schätzung des adäquaten Schmerzensgeldes geben" dürfte. Anschließend kommt auch das OLG Frankfurt dazu, dass einzelfallgenau unter Berücksichtigung der vom dortigen Kläger selbst genannten Untergrenze als adäquater Betrag "bei Berücksichtigung einerseits vergleichbarer Entscheidungen und andererseits einer taggenauen Berechnung" ein gewisser Pauschalbetrag und keineswegs ein taggenau berechneter Betrag auszuwerfen ist. Dieses Urteil fügt sich daher durchaus in die hergebrachten Grundsätze der Schmerzensgeldberechnung ein und ist kein Grund dafür, eine Revision zum BGH zuzulassen, weil es keine voneinander abweichenden OLG-Entscheidungen gibt, die eine Vereinheitlichung der Rechtsprechungslinie durch den BGH erforderlich erscheinen ließe.

Nach den hergebrachten und weiterhin geltenden...

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