Leitsatz (amtlich)

Durch die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 2.9.2009 (II ZB 35/07), wonach der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 15a Abs. 1 RVG die bereits zuvor bestehende Gesetzeslage lediglich klargestellt und nicht i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG geändert habe, ist die Anwendung von § 15a RVG auf "Altfälle" nicht abschließend geklärt, weil andere Senate des BGH die vor Einführung des § 15a RVG bestehende Rechtslage abweichend beurteilen und der Große Senat für Zivilsachen insoweit noch nicht entschieden hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 24.07.2009; Aktenzeichen 25 O 700/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Berlin vom 24.7.2009 - 25 O 700/07 - abgeändert:

Die nach dem Urteil des KG vom 25.6.2009 - 12 U 73/08 - von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.940,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 10.7.2009 festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 347,73 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte ist durch das Urteil des KG vom 25.6.2009 - 12 U 73/08 - vollumfänglich unterlegen.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 10.7.2009 Kostenfestsetzung beantragt und zwar der Summe nach wie folgt:

I. Instanz (Gegenstandswert: 8.477,11 EUR)

(brutto) 1.359,58 EUR

II. Instanz (Gegenstandswert: 8.927,11 EUR)

(brutto) 1.519,87 EUR

gezahlte Gerichtskosten

408 EUR

gesamt

3.287,45 EUR

Bei den Kosten der ersten Instanz ist eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV in Ansatz gebracht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 10.7.2009 verwiesen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren unstreitig bereits vorprozessual für diese wegen desselben Gegenstandes tätig.

Die Rechtspflegerin hat bei der Kostenfestsetzung mit Beschluss vom 24.7.2009 die Kosten der Klägerin in voller Höhe berücksichtigt und die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 3.287,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.7.2009 festgesetzt.

Gegen diesen am 29.7.2009 zusammen mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 10.7.2009 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit Schriftsatz vom gleichen Tage, der am 31.7.2009 bei Gericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Er rügt die auf Seiten der Klägerin unterbliebene Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, die über den Antrag hinausgehende Festsetzung i.H.v. 0,42 EUR sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Klägerin hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss im Hinblick auf die Einführung des § 15a RVG für zutreffend.

Mit Beschluss vom 13.10.2009 hat die nach dem Geschäftsplan des Senats zuständige Einzelrichterin das Verfahren gem. § 568 Satz 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

A. In der Tat ist dem Beklagten vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 24.7.2009 kein rechtliches Gehör gewährt worden, was nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen gewesen wäre. Vielmehr ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerseite erst mit Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses bekannt gemacht worden. Dieser Verfahrensfehler ist aber nunmehr geheilt, nachdem der Beklagte im Rahmen der sofortigen Beschwerde Stellung genommen hat.

B. Zwar ist die Abhilfeentscheidung der Rechtspflegerin des LG nicht ausdrücklich in der gebotenen Form eines Beschlusses ergangen. Der Verfügungspunkt "Ich helfe der sof. Beschw. Bl. 173 ff. nicht ab" ist jedoch als solcher zu verstehen. Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, die fehlende Begründung der Nichtabhilfe nachträglich einzuholen. Da sich der Vorlagebeschluss in dem vorstehend zitierten Satz erschöpft, sieht der Senat die Bekanntgabe desselben ggü. den Parteien vor der hiesigen Entscheidung als verzichtbar an.

C. Zum einen war bereits die über den Kostenfestsetzungsantrag um 0,42 EUR hinausgehende Kostenfestsestsetzung fehlerhaft, worauf der Beklagte zu Recht abstellt. Zum anderen war die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu kürzen.

1. Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine entstandene Geschäftsgebühr u...

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