Entscheidungsstichwort (Thema)

Am 5.8.2009 in Kraft getretener § 15a RVG nicht auf "Altfälle" anwendbar

 

Normenkette

RVG §§ 15a, 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 03.04.2009; Aktenzeichen 27 O 876/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 3.4.2009 - 27 O 876/08 - wird auf ihre Kosten bei einem Gegenstandswert von 499,68 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch. Das LG Berlin erließ die beantragte einstweilige Verfügung und bestätigte diese später durch Urteil. Die Kosten des Verfahrens auferlegte das LG der Antragsgegnerin bei einem Wert von 20.000 EUR.

Auf das Gesuch der Antragstellerin hat das LG Berlin die zu erstattenden Kosten mit dem angefochtenen Beschluss auf 1.445,97 EUR festgesetzt, wobei es auf die Verfahrensgebühr zur Hälfte eine vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr angerechnet hat. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Verfahrensgebühr in voller Höhe geltend macht und sich zur Begründung u.a. auf den neu ins Gesetz eingeführten § 15a RVG beruft.

II. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg, denn die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV war anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu kürzen.

Die Geschäftsgebühr war auf die Verfahrensgebühr anteilig anzurechnen. Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV (im Folgenden: Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV) in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, war in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 - (NJW 2008, 1323) zu den Streitfragen umfassend Stellung genommen. Danach ist die Vorschrift Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Durch diese Anrechnung verringert sich die erst später nach Nr. 3100 RVG-VV angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Dieses folgt unmittelbar aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift. Dabei ist es gleichgültig, ob die Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist. Insbesondere ist es für die Anrechnung ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage von Prozessgegner zu erstatten ist (BGH, Beschl. v. 22.01.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschl. v. 25.9.2008 - VII ZB 93/07). Die Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ist dabei unmittelbar im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten und anzuwenden.

Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen und nimmt für die weitere Begründung dieser Rechtsauffassung auf den zitierten Beschluss des VIII. Zivilsenates des BGH Bezug. Inzwischen hat sich dieser Rechtsauffassung eine ganze Reihe von Senaten des BGH angeschlossen. Maßgebend ist dabei, dass § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, auf den allein abzustellen ist, für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV anknüpft, so dass diese Bestimmung auch unmittelbar im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten ist. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der unmissverständlichen Formulierungen des Gesetzes vermochte sich der Senat auch nicht der abweichenden Auffassung des 1. Zivilsenat des KG (Beschl. v. 31.3.2008 - 1 W 111/08, AGS 2008, 216 und nun Beschl. v. 4.11.2008 - 1 W 395/08, KGReport Berlin 2009, 135) anzuschließen. In Anbetracht der insoweit eindeutigen Rechtsauffassung des BGH erscheint es auch nicht mehr erforderlich, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in derartigen Fällen die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

An der dargestellten Rechtslage hat sich auch nichts durch das Inkrafttreten des neuen § 15a RVG am 5.8.2009 (Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom selben Tage, zitiert nach juris) geändert, denn nach § 60 Abs. 1 RVG kommt es auf das bisherige Recht an, wenn der unbedingte Auftrag vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist (Hessisches LAG, Beschl. v. 7.7.2009 - 13 Ta 302/09 - zitiert nach juris; NJW-Spezial, 2009, 459), was hier der Fall ist. Eine andere Auslegung der Anrechnungsvorschrift lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Regelung des § 15a RVG lediglich klarstellen wollte, was nach seiner Auffassung schon immer der Regelungsgehalt der Anrechnungsvorschrift war (so aber wohl AG Wesel, NJW-Spezial 2009, 459). Nach überwiegender Recht...

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