Leitsatz (amtlich)

Legt ein Rechtsanwalt verspätet beim KG Berufung ein, weil er die Übergangsvorschrift des § 40 EGGVG übersehen hat und daher zunächst von der Zuständigkeit des LG ausgegangen ist, ist die Versäumung der Berufungsfrist nicht als unverschuldet anzusehen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Lichtenberg (Urteil vom 14.08.2009; Aktenzeichen 16 C 152/08)

 

Tenor

1. Der Antrag des Klägers vom 2.6.2010 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 14.8.2009 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 16 des AG Lichtenberg - 16 C 152/08 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das AG Lichtenberg hat der Klage mit am 14.8.2009 verkündetem Urteil nur teilweise stattgegeben.

Der Kläger hat gegen das ihm am 31.8.2009 zugestellte Urteil durch einen bei dem LG Berlin am 21.9.2009 per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung durch einen weiteren am 28.10.2009 per Fax bei dem LG Berlin eingegangenen Schriftsatz begründet.

Das LG hat Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und die Beklagte aufgefordert, auf die Berufungsbegründung zu erwidern. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6.1.2010 beantragt, die Berufung zurückzuweisen und hat diesen Antrag mit Schriftsatz vom 22.3.2010 u.a. damit begründet, dass die Berufung unzulässig sei, weil sie, da die Beklagte ihren Geschäftssitz in der Slowakei habe, bei dem KG hätte eingereicht werden müssen. Der Kläger hat darauf hin mit Schriftsatz vom 30.3.2010 vorgetragen, dass die Zuständigkeit des LG gegeben sei, weil die Vorschrift des § 119 GVG a.F., nach welcher in Fällen mit Auslandsbezug das KG die zuständige Berufungsinstanz gewesen sei, zum 1.9.2009 geändert worden sei. Da die Berufung am 21.9.2009 eingelegt worden sei, sei das LG für die Berufung zuständig.

Das LG hat den Kläger darauf hin mit einem dem Kläger am 19.5.2010 zugegangenen Schreiben vom 14.5.2010 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, weil sie entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG a.F. nicht zum KG eingelegt worden sei, obwohl die Beklagte ihren Sitz im Ausland habe. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG a.F. finde gemäß der "Übergangsvorschrift zu Art. 21 § 40 FGG-RG" noch auf solche Urteile Anwendung, die vor dem 31.8.2009 erlassen worden seien. Mit Beschluss vom 4.6.2010 hat das LG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat daraufhin mit einem bei dem KG am 2.6.2010 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Kläger begründet seinen Antrag auf Wiedereinsetzung wie folgt:

Er habe in Kenntnis dessen, dass die in § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG a.F. enthaltene Regelung aufgehoben worden sei, ganz bewusst bei dem LG Berlin Berufung eingelegt. Dabei habe er Art. 21 Ziff. 4 FGG-RG, wonach die Übergangsvorschrift des § 40 EGGVG eingeführt worden sei, übersehen.

In Art. 22 FGG-RG, der unter Ziff. 14 die Änderung des § 119 GVG regele, sei eine Übergangsvorschrift nicht zu finden. Vielmehr befinde sich am Ende des FGG-RG unter Art. 111 eine Übergangsvorschrift. Genau dort vermute der Jurist eine Übergangsregelung auch regelmäßig. Nach dieser Regelung sei für die Frage, ob altes oder neues Recht anzuwenden sei, der Zeitpunkt der Einlegung der Berufung maßgeblich. Diese Lesart habe sich auch in dem zu diesem Thema ohnehin spärlichen juristischen Schrifttum wieder gefunden. Auch das LG habe die Übergangsvorschrift falsch zitiert.

Es sei nicht zu klären, was den Gesetzgeber bewogen habe, die Übergangsvorschrift derart versteckt im FGG-RG unterzubringen. Sie sei dort nicht zu vermuten und es sei mehr als fraglich, ob es wirklich zu den grundlegenden Pflichten eines durchschnittlichen Anwaltes gehöre, das FGG-RG in seiner Gänze durchzulesen, wenn er keine Schwerpunkttätigkeit im Familienrecht habe.

II. Die Berufung des Klägers gegen das am 14.8.2009 verkündete und am 31.8.2009 zugestellte Urteil der Zivilprozessabteilung 16 des AG Lichtenberg war nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung ist am 2.6.2010 beim KG als dem zuständigen Berufungsgericht eingegangen und damit nicht innerhalb der Frist nach § 517 ZPO eingelegt worden. Gemäß § 40 EGGVG findet im vorliegenden Fall § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG a.F. Anwendung, da das angefochtene Urteil vor dem 1.9.2009 erlassen worden ist. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG a.F. ist das KG das zuständige Berufungsgericht, da die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der entsprechende Antrag vom 2.6.2010 ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Fristversäumung nicht als unverschuldet anzusehen ist. Die Versäumung der Berufungsfris...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge