Leitsatz (amtlich)

Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ist auch bei altrechtlichen Grundstücksbelastungen grundsätzlich in der Form des § 29 GBO zu führen. Ausnahmen hiervon können dann in Betracht kommen, wenn Löschungsbewilligungen der Berechtigten nicht zu erlangen sind und eine Berichtigung des Grundbuchs ansonsten überhaupt nicht vorgenommen werden könnte. Ein solcher Ausnahmefall ist hinsichtlich der in Grundbüchern des sog. Kielgan-Viertels in Berlin seit dem 1.3.1869 eingetragenen Baubeschränkungen nicht gegeben, weil die Nachforschung nach den heutigen Berechtigten zwar aufwendig, jedoch nicht von vornherein aussichtslos ist.

 

Normenkette

GBO §§ 22, 29; BGB §§ 1019, 1025, 1028; EGBGB Art. 184; preuss ALR § 11 ff. I 22

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen 48 SB.)

 

Tenor

Die Beschwerde wird bei einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit notariell beurkundetem "Abkommen" vom 16.1.1869 zwischen dem Gutsbesitzer Kielgan, dem Kaufmann Arnous, dem Landschaftsmaler Spangenberg, dem Fabrikbesitzer Aird sowie dem Baumeister Wuttke teilte Kielgan sein zur Feldmark Lützow gehörendes, im damaligen Hypothekenbuch der königlichen Gerichtsdeputation zu Charlottenburg Band II Nr. 610 eingetragenes Grundstück in einzelne Parzellen auf. Die Aufteilung erfolgte auf der Grundlage zweier in dem Abkommen ausdrücklich in Bezug genommener Pläne, deren Fertigung durch Kielgan beauftragt worden war. U. a. handelte es sich um einen von dem Baumeister Otto Wuttke erstellten Bebauungsplan. Das Eigentum an den neu zu bildenden Grundstücken sollte zugunsten der übrigen neuen Grundstücke sowie der zuvor abgeschriebenen und in den Hypothekenbüchern von Stadt Charlottenburg Vol. ...No. ...und ...eingetragenen Grundstücken wie folgt eingeschränkt werden:

"das Grundstück darf nicht parzelliert und nicht anders als nach dem aus dem Wuttke'schen Bebauungsplan zu ersehenden Prinzip und höchstens in dem auf demselben Plan angegebenen Umfang bebaut, auch kein darauf zu errichtendes Gebäude außer dem Keller und dem Erdgeschoss mit mehr als einem Stockwerk versehen werden"

Mit Verfügung vom 1.3.1869 wurde das Grundstück auf das neue Hypothekenbuch Blatt ...übertragen. In den hierzu geführten Akten befindet sich das Abkommen vom 16.1.1869 im Original. Sodann wurden von diesem neuen Blatt die Parzellen abgeschrieben und für jede ein neues Hypothekenbuch angelegt. Dies sind die Hypothekenbücher von Stadt Charlottenburg Vol. ...Nr. ...bis ...und Vol. ...Nr. ...bis ... Dort wurde in Abteilung II jeweils eine Baubeschränkung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung eingetragen.

Die zu den Blättern ...bis ...gebuchten Grundstücke befanden sich nebeneinander an der K.- Bl. ...- der Ecke K./N.- Bl. ...- der Ecke N./heutige M.- Bl. ...- und der heutigen M.- Bl. ...-. In den folgenden Jahrzehnten wurden von diesen Grundstücken an die Straßen anliegende Teilflächen abgetrennt und im Wesentlichen dem Grundbuch Band ...Blatt ..., welches nach den Akten im Eigentum der Stadtgemeinde Charlottenburg stand, zugeschrieben. Die auf den Blättern ...bis ...verbliebenen Grundstücke wurden später mehrfach auf andere - neue - Grundbuchblätter umgeschrieben, nach Erwerb durch die eingetragene Eigentümerin zu einem Grundstück vereinigt und schließlich auf dem im Beschlusseingang bezeichneten Grundbuchblatt gebucht. Dort sind die ursprünglichen Belastungen in Abt. II lfd. Nr. 1 und 7 bis 9 eingetragenen.

Im Anschluss an eine im Jahr 1910 erfolgte Veräußerung des Grundstücks Blatt ...wurden zahlreiche Löschungsbewilligungen von Eigentümern der berechtigten Grundstücke erteilt und die Lasten in Abt. II entsprechend berichtigt. Jahrzehnte später wurde gegenüber dem Grundbuchamt wiederholt vergeblich angeregt, die verbliebenen Belastungen von Amts wegen zu löschen. Ein Antrag der eingetragenen Eigentümerin vom 27.1.1965, auf Grund weiterer Bewilligungen die Belastungen jedenfalls teilweise zu löschen, ist in der Folgezeit nicht weiter verfolgt worden.

Mit Schriftsatz vom 16.7.2010 hat die eingetragene Eigentümerin die Löschung der Belastungen in Abt. II lfd. Nr. 1 und 7 bis 9 beantragt und hierzu ausgeführt, das Grundbuch sei unrichtig, weil die Belastungen wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht wirksam zur Entstehung gelangt seien, das Grundstück vor langer Zeit aus dem Wuttke'schen Bebaubungsplan herausgenommen worden sei und der zu sichernde Vorteil zu keinem Zeitpunk bestanden habe und auch nicht mehr entstehen könne. Diesen Antrag hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 3.11.2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 22.11.2010, der das Grundbuchamt ohne weitere Begründung mit der eingetragenen Eigentümerin nicht zugestellter Verfügung vom 2.3.2011 nicht abgeholfen hat. Die Belastungen von Amts wegen zu löschen hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 3.11.2010 abgelehnt. Die dagegen erhobene Erinnerung ist ohne Erfolg geblieben.

Ermittlungen des Senats haben ergeben, dass bei dem Bezirksamt Tempelhof-S...

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