Leitsatz (amtlich)

Die Bestellung eines von dem Angeklagten gewünschten Pflichtverteidigers kann aus wichtigem Grund versagt werden. Ein solcher kann darin liegen, dass der Verteidiger immer wieder die Hauptverhandlung stört, indem er ungefragt lautstarke Erklärungen abgibt, den Vorsitzenden übertönt, sich unerlaubt entfernt und provokative den Vorsitzenden oder Zeugen lächerlich machende Äußerungen von sich gibt.

 

Normenkette

StPO § 143

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 10.12.2010; Aktenzeichen (518) 47 Js 2046/09 KLs (5/10))

 

Tenor

1. Die nicht begründete Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer 18 vom 10. Dezember 2010, mit dem die - erneute - Beiordnung Rechtsanwalt Xs und die Entpflichtung Rechtsanwalt Ys abgelehnt worden sind, wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Bei dem Landgericht ist derzeit ein Strafverfahren anhängig, in welchem dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, sich gemeinschaftlich mit drei weiteren Mitangeklagten des besonders schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Anklageschrift vom 11. Januar 2010 verwiesen. Die Hauptverhandlung hat am 17. März 2010 begonnen und dauert an.

Durch Beschluss vom 5. Januar 2010 hatte der Vorsitzende den von dem Angeklagten bevollmächtigten Rechtsanwalt X als Pflichtverteidiger beigeordnet. Als weiterer Pflichtverteidiger war Rechtsanwalt Y dem Angeklagten nach Niederlegung seines Wahlmandates am 24. Februar 2010 beigeordnet worden. Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 hat der Vorsitzende die Beiordnung Rechtsanwalt Xs nach § 143 StPO aus wichtigem Grund und wegen der Erklärung des Rechtsanwalts, er werde in Zukunft die Verteidigung als Wahlverteidiger führen, widerrufen. Der Senat hat sein Rechtsmittel durch Beschluss vom 7. Juni 2010 zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende die von dem Angeklagten beantragte erneute Beiordnung von Rechtsanwalt X als Pflichtverteidiger und die Aufhebung der Beiordnung Rechtsanwalt Ys abgelehnt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Verhalten Rechtsanwalt Xs während der zahlreichen Hauptverhandlungstermine zeige, dass er unabhängig davon, dass er das Vertrauen des Angeklagten besitze und in den Prozessstoff eingearbeitet sei, kein geeigneter Beistand für den Angeklagten darstelle, um den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern. Im Einzelnen führt der Vorsitzende mehrfache massive Störungen durch Rechtsanwalt X an. Er falle dem Vorsitzenden ständig bei sachleitenden Anordnungen, Protokolldiktaten und Zeugenvernehmungen ins Wort und mache in großer Lautstärke, teilweise auch mit Beschimpfungen gegen den Vorsitzenden gerichtete Ausführungen. Den Versuchen, ihm unter Hinweis auf die strafprozessualen Regelungen das Wort zu entziehen, trete er mutwillig entgegen, indem er den Vorsitzenden übertöne. Auch versuche er immer wieder durch Verlassen des Gerichtssaals oder eine entsprechende Ankündigung das Gericht zur Duldung prozessrechtswidrigen Verhaltens oder zur Kenntnisnahme nicht zum Thema gehörender von ihm vorgebrachter Vorgänge zu zwingen. Von dieser Verfahrensweise sei Rechtsanwalt X trotz wiederholter Beanstandungen seines Verhaltens nicht abgerückt. Die Entpflichtung Rechtsanwalt Ys sei nicht geboten, da in keiner Weise dargelegt sei, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Angeklagten zerstört sei.

1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der erneuten Bestellung Rechtsanwalt Xs als Pflichtverteidiger und gegen die Ablehnung des Widerrufs der Bestellung seines Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Y ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (vgl. OLG Köln, NStZ 1991, 248). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Weder begegnen die Ablehnung der erneuten Bestellung Rechtsanwalt Xs noch die Ablehnung der Aufhebung der Bestellung Rechtsanwalt Ys durchgreifenden Bedenken.

Rechtsgrundlage für die Bestellung des Pflichtverteidigers ist § 141 StPO. Dabei soll nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO der Vorsitzende dem Angeklagten den Verteidiger seiner Wahl beiordnen, wenn nicht ein wichtiger Grund entgegensteht. Mit diesen Vorschriften soll gewährleitstet werden, dass dem Angeklagten ein geeigneter Beistand zur Seite gestellt und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Die Bestellung kann abgelehnt werden, wenn sich der von dem Angeklagten gewünschte Verteidiger als ungeeignet erweist und damit der ordnungsgemäße Verfahrensablauf ernsthaft gefährdet ist(vgl. KG JZ 1982, 349; Senatsbeschlüsse vom 30. Juni 2006 - 3 Ws 325/06 - und vom 24. Mai 2006 - 3 Ws 262/06 - jeweils m.w.N.). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Vorsitzende zu prüfen hat, ob das Vorgehen des Verteidigers sachlich im wohlverstandenen Interesse des Angeklagten liegt (vgl. Meyer-Goßner StPO, 53. Aufl. § 143 Rdn. 4 m.w.Nachw.). Der Pflichtverteidiger ist in der Art und Weis...

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