Leitsatz (amtlich)

1. Die EWIV nach deutschem Recht steht einer offenen Handelsgesellschaft gleich (§ 1 EWIV-AusführungsG); die Aufnahme als Mitglied setzt eine Vereinbarung mit allen anderen Mitgliedern voraus (Art. 26 Abs. 1 EWIV-VO).

2. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 Abs. 1 FamFG als Mitglied einer EWIV kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil der Aufnahme nicht alle Mitglieder der EWIV zugestimmt haben. Es muss auch ausgeschlossen werden, dass die Mitgliedschaft in Vollzug gesetzt worden ist.

3. Die Voraussetzungen des § 395 Abs. 1 FamFG sind vom Registergericht von Amts wegen zu ermitteln. Die Voraussetzungen müssen dabei zur Überzeugung des Gerichts vorliegen. Eine Darlegungslast zu Lasten eines Beteiligten kommt nicht in Betracht.

4. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 Abs. 1 FamFG steht im Ermessen des Gerichts. Von einer Durchführung des Löschungsverfahrens kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen nur unter Schwierigkeiten festgestellt werden können, die Beseitigung der Eintragungswirkungen aber durch eine Anmeldung auf einfache Weise erreicht werden können.

5. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 FamFG mit dem Hinweis, die Eintragung sei von Anfang an unrichtig gewesen, kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

EWiV-Ausführungsgesetz § 1; EWiV-VO Art. 26 Abs. 1, Art. 37; FamFG § 26 Abs. 1, § 395 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 90 HRA 48106 B)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss vom 30. Juni 2020 aufgehoben. Das Löschungsverfahren wird eingestellt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) ist eine erstmals am 16. Juni 2010 und seit dem 19. April 2013 in das Handelsregister Abteilung A des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragene Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung. Nach dem Registerblatt hatte sie insgesamt 191 Mitglieder, wobei aktuell noch 95 Mitglieder vorhanden sind. Mit einer gerichtlichen Verfügung vom 10. Januar 2020, zugestellt am 22. Januar 2020, teilte das Registergericht dem eingetragenen Geschäftsführer mit, dass es beabsichtige, den seit dem 22. Januar 2018 als Mitglied Nr. 187 eingetragenen Beteiligten zu 2) gemäß § 395 FamFG zu löschen, und gab Gelegenheit zur Einlegung eines Widerspruchs binnen eines Monats. Das Widerspruchsschreiben ging am 11. Februar 2020 beim Registergericht ein.

Diesen Widerspruch hat das Registergericht mit einem Beschluss vom 28. Februar 2020 zurückgewiesen. Auch mit dem Widerspruch sei von der Beteiligten zu 1) eine ordnungsgemäße Mitgliedschaft des Beteiligten zu 2) nicht dargelegt worden. Zur Aufnahme eines neuen Mitglieds sei ein einstimmiger Beschluss aller Mitglieder notwendig. Die Durchführung einer Folgeversammlung mit dem Hinweis, in dieser sei eine Beschlussfähigkeit immer gegeben, wie vom Geschäftsführer dargelegt, reiche danach trotz fehlender Beanstandung durch die Mitglieder nicht aus. Dass es an dem Abschluss eines Aufnahmevertrages zur vollwertigen Mitgliedschaft fehle, ergebe sich aus der Erklärung des Beteiligten zu 2). Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit einem am Montag, den 6. April 2020 eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt und eine spätere Begründung angekündigt. Nachdem eine Begründung trotz eingeräumter Verlängerung nicht eingegangen ist, hat das Registergericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 30. Juni 2020 zur Entscheidung vorgelegt. Dieser Beschluss, der zunächst andere Mitglieder auswies als der Beschluss vom 28. Februar 2020, ist mit einem Beschluss vom 4. August 2020 berichtigt worden.

II. 1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 395 Abs. 3, 393 Abs. 3 Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist fristgerecht innerhalb der Frist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG eingegangen, weil die Zustellung des Beschlusses vom 28. Februar 2020 am 5. März 2020 erfolgte und die Frist bei einem Ende an einem Wochenende am folgenden Werktag endet, der hier der 6. April 2020 gewesen ist. Die Beteiligte zu 1) wird durch die beabsichtigte Löschung auch gemäß § 59 Abs. 1 FamFG unmittelbar in eigenen Rechten beschwert, weil es um die Eintragung eines ihrer Mitglieder geht (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 16. Februar 2016 - 22 W 88/14 -, juris Rdn. 13; Keidel/Heinemann, FamFG, 20. Aufl., § 395 Rdn. 43). Die Beschwerdeschrift erfüllt die Anforderungen nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG. Der Zulässigkeit steht auch nicht die fehlende Begründung entgegen. Denn diese ist nach § 65 Abs. 1 FamFG keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Die notwendige Beschwer nach § 61 Abs. 1 FamFG wird erreicht.

2. Die Beschwerde hat auch Erfolg.

a) Nach § 395 Abs. 1 FamFG kann das Registergericht eine Eintragung im Register von Amts wegen oder auf Antrag eines berufsständischen Organs löschen, wenn für die Eintragung eine wesentliche Voraussetzung fehlt. Ein solcher Mangel kommt dabei gerade bei einer rechtsbekundenden Eintragung in Betracht, wenn sie von Anfang an unrichtig war (vgl. Senat, Beschlus...

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