Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 16.06.2003; Aktenzeichen 23 M 4848/03)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 04.07.2007; Aktenzeichen VII ZB 6/05)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des AG Mitte von Berlin vom 16.6.2003 - Az. 32 M 4848/03 - in der Beschlussformel zu 1) und 3) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Mitte von Berlin vom 23.4.2003 - Az 32 M 4848/03 - wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.

2. Die Wirksamkeit dieser Entscheidung wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses hinausgeschoben.

3. Der Gläubiger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Verfahrenswert wird auf 843.188,78 EUR festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Gläubiger ist Inhaber von Staatsanleihen der Schuldnerin. In einem Rechtsstreit vor dem LG Frankfurt am Main erwirkte er ein Urteil, durch das die Schuldnerin zur Zahlung von 766.937,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8,5 % hieraus seit dem 23.2.2002 Zug um Zug gegen Aushändigung in der Urteilsformel näher bezeichneter Inhaberschuldverschreibungen verurteilt wurde (Urteil des LG Frankfurt/M. vom 14.3.2003, Aktenzeichen 2-21 O 294/02).

In den Anleihebedingungen der hier streitbefangenen Anleihe WKN 135 475 heißt es in § 12 Abs. 4:

"In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichts oder von irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung, Vollstreckung oder in einem sonstigen Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die Anleiheschuldnerin hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu gemäß dem anwendbaren Recht berechtigt ist.

Unbeschadet des Vorstehenden werden durch argentinische Gerichte Pfändungen vor einer gerichtlichen Entscheidung nicht angeordnet im Hinblick auf (i) Vermögenswerte, die entsprechend Artikel 6 des Konvertibilitätsgesetzes frei verfügbare Reserven darstellen, (ii) in Argentinien belegene Vermögensgegenstände, die öffentliches Eigentum im Sinne der Art. 2.337 und 2.340 des argentinischen Zivilgesetzbuches darstellen, (iii) in Argentinien belegene Vermögensgegenstände, die der Erbringung unverzichtbarer staatlicher Dienstleistungen gewidmet sind, und (iv) Vermögensgegenstände i.S.d. Artikels 19 des Haushaltsgesetzes für das Jahr 1996."

Auf Antrag des Gläubigers vom 11.4.2003 hat das AG Mitte als Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 23.4.2003 die Pfändung der bei der Drittschuldnerin belegenen Konten wegen einer Forderung i.H.v. insgesamt 843.188,78 EUR angeordnet. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Bl. 2 ff. d.A.) wurde der Drittschuldnerin am 29.4.2003 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 2.5.2003, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Schuldnerin Erinnerung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegt und gleichzeitig beantragt, die ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahme ohne Sicherheitsleistung einzustellen.

Mit Beschluss vom 6.5.2003 (Bl. 44 d.A.) hat das AG Mitte die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23.4.2003 bis zur Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin vom 2.5.2003 einstweilen eingestellt.

Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom 8.5.2003 beantragt, die Erinnerung und den Antrag auf einstweilige Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen, und mit weiterem Schriftsatz vom 9.5.2003 Erinnerung gegen den Beschluss des AG vom 6.5.2003 eingelegt und beantragt, diesen aufzuheben.

Mit angefochtenem Beschluss vom 16.6.2003 hat das AG Mitte sowohl die Erinnerung der Schuldnerin vom 2.5.2003 als auch die Erinnerung des Gläubigers vom 9.5.2002 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schuldnerin einen umfassenden Verzicht auf Immunität in den streitbefangenen Anleihen erklärt habe, welcher eine Vollstreckung auch in die Botschaftskonten zulasse. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl. 174-177 d.A. Bezug genommen. Der Beschluss wurde der Schuldnerin und dem Gläubiger sowie der Drittschuldnerin jeweils am 20.6.2003 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 25.6.2003 eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Diese vertritt wie bereits im Verfahren über die Erinnerung die Auffassung, dass die Vollstreckung in die Botschaftskonten unzulässig sei, da der in den Anleihebedingungen ausgesprochene Verzicht auf Immunität sich allein auf die allgemeine Staatenimmunität beziehe, jedoch keinen ausdrücklichen Verzicht auf die Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs darstelle. Ein derartiger ausdrücklicher Verzicht sei aber nach dem allgemeinen Völkerrecht unerlässlich, zudem müsse ein derartiger Verzicht auch dem Empfangsstaat schrift...

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