Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Festsetzung der Verfahrensgebühr im nachfolgenden Rechtsstreit

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 15.07.2008; Aktenzeichen 15 O 209/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin nach einem Wert von 699,90 EUR zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit anwaltlichem Abmahnschreiben vom 24.4.2008 (Bl. 124 f. d.A.), dem die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5.5.2008 (Bl. 128 f. d.A.) und 8.5.2008 (Bl. 28 f. d.A.) entgegengetreten ist, einen Anspruch auf Unterlassung von unlauterem Wettbewerb geltend gemacht. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 8.5.2008 hat das LG nach Anhörung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 27.5.2008 zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.7.2008 hat das LG, wie beantragt, gegen die Antragstellerin u.a. eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV nach dem vom LG festgesetzten Verfahrenswert von 50.000 EUR festgesetzt. Die Antragstellerin macht geltend, unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1323) sei die den Verfahrensbevollmächtigten den Antragsgegnerin für ihre prozessuale Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 50.000 EUR i.H.v. 0,65 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen und daher abzusetzen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Der Senat folgt der zitierten Rechtsprechung des BGH nicht (s. bereits ER-Beschl. v. 31.3.2008 - 1 W 111/08, AGS 2008, 216 = OLGR 2008, 560 = JurBüro 2008, 304; Beschl. v. 24.6.2008 - 1 W 111/08, OLGR 2008, 844). Die Rechtsbeschwerde ist daher zulassen.

1. Das LG hat zutreffend die Verfahrensgebühr von 1,3 nach dem Verfahrenswert von 50.000 EUR festgesetzt. Die Gebühr ist nach VV Nr. 3100 entstanden und nicht nach VV Nr. 3101 oder einem sonstigen Tatbestand des Vergütungsverzeichnisses gemindert. Die in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorgeschriebene Anrechnung eines Teils der Geschäftsgebühr ist bei der Festsetzung der Gebühr nach VV Nr. 3100 nicht zu berücksichtigen.

2. Die Anrechnung als solche bewirkt keine Minderung der Verfahrensgebühr.

a) Unstreitig ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin allerdings eine Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 entstanden, die nach Maßgabe der Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen ist. Sie sind vorprozessual mit der Abwehr des Abmahnschreibens vom 24.4.2008 in der später zum Verfahrensgegenstand gewordenen Angelegenheit tätig geworden. Der von der Antragstellerin angegebene Gegenstandswert von 50.000 EUR und der Regelsatz von 1,3 werden nicht beanstandet. Der Auftrag umfasste die von den Bevollmächtigten entfaltete außergerichtliche, auf Vermeidung des Gerichtsverfahrens gerichtete Tätigkeit. Soweit sie im Schreiben vom 5.5.2008 mitgeteilt haben, dass sie für den Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung "zustellungsbevollmächtigt" seien, geht daraus allenfalls ein bedingter Prozessauftrag - für den Fall einer Anrufung des Gerichts durch die Gegenseite - hervor. Soweit sie im Schreiben vom 8.5.2008 ausführten, im Falle des Ablaufs der zum 15.5.2008 gesetzten Frist zur Abgabe einer Verzichtserklärung würden sie der Mandantschaft "dringend zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage anraten", ist ein unbedingter Prozessauftrag ebenfalls nicht ersichtlich.

b) Die Anrechnungsvorschrift bewirkt jedoch nicht, dass die Verfahrensgebühr von vornherein nur in um den Anrechnungsbetrag geminderter Höhe entstanden ist. Soweit der BGH dies annimmt (BGH - 8. ZS, NJW 2007, 283 zum materiellen Anspruch; dem folgend zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch: 8. ZS, NJW 2008, 1323, bestätigt mit Beschl. v. 3.6.2008 - VIII ZB 3/08; 3. ZS, Beschl. v. 30.4.2008 - III ZB 8/08; 6. ZS, Beschl. v. 3.6.2008 - VI ZB 55/07; 4. ZS., Beschl. v. 16.7.2008 - IV ZB 24/07; 1. ZS. Beschl. v. 14.8.2008 - I ZB 103/07; Beschl. v. 2.10.2008 - I ZB 30/08; 7. ZS., Beschl. v. 25.9.2008 - VII ZB 93/07), folgt der Senat dem nicht:

(1) Bestimmt das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr, so setzt es die Entstehung - auch - der anderen Gebühr logisch voraus. Es müssen alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein, dass die Gebühr - in bestimmter Höhe - entstanden ist. Wenn in manchen Anrechnungsbestimmungen die Entstehung der anderen Gebühr im Wortlaut ausdrücklich gefordert wird (Nrn. 3101 Abs. 1, 3104 Abs. 2, 3201 Satz 2 RVG-VV), in anderen dagegen nur eine Anrechnung "auf die Verfahrensgebühr" oder "auf eine Gebühr" (§ 34 Abs. 2 RVG, Nr. 2100, 2102 RVG-VV) angeordnet wird, hat das sprachliche Gründe und begründet keinen sachlichen Unterschied. Die Entstehung der Gebühren und deren Verminderung und Erhöhung wird im Gesetz durch Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen, des Gebührensatzes bzw. -rahmens und...

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