Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 28.03.2012; Aktenzeichen (564) 252 AR 17/12 Ns (10/12))

 

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. März 2012 im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Festsetzung der Tagessatzhöhe und der Entscheidung über die Gewährung einer Zahlungserleichterung mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagten wegen Diebstahls jeweils zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht dieselben Geldstrafen wie das Amtsgericht Tiergarten verhängt, die Höhe des einzelnen Tagessatzes jedoch jeweils auf zehn Euro festgesetzt und die Zahlung der Geldstrafe in zwölf monatlichen Raten zu je 100 Euro bewilligt.

Die dagegen gerichteten, auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten, die sich unter wirksamer Beschränkung der Rechtsmittel jeweils nur noch gegen die Höhe des Tagessatzes wenden und dessen Festsetzung auf fünf Euro erstreben, haben (vorläufigen) Erfolg.

1. Die vom Landgericht vorgenommene Bemessung der Tagessatzhöhe ist wegen Unvollständigkeit der ihr zugrunde liegenden Feststellungen und Erwägungen rechtlich fehlerhaft.

Das Landgericht hat zu den wirtschaftlichen Verhältnisse der miteinander verheirateten Angeklagten, die gemeinsam mit drei Kindern im Alter von sieben, 13 und 20 Jahren in einer Wohnung leben, Folgendes festgestellt: "Beide sind arbeitslos und leben mit ihren Kindern von Sozialleistungen. Der Staat übernimmt die Miete der Familie, darüber hinaus erhalten sie 194 Euro im Monat pro Person". Die Bestimmung der Tagessatzhöhe hat die Kammer wie folgt begründet: "Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich dabei an den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten".

2. Diese Feststellungen und Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar hat das Revisionsgericht bei der Überprüfung der Tagessatzhöhe, wie auch sonst bei der Strafzumessung, lediglich nachzuprüfen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ausreichend festgestellt und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt sind, wobei die Wertung des Tatrichters bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist. Denn das Gesetz gibt in § 40 Abs. 2 StGB insoweit nur allgemeine Anhaltspunkte für die Bestimmung des Tagessatzes und räumt dem Tatrichter eine weitgehende Ermessensfreiheit ein (vgl. Senat, Beschluss vom 13. März 2000 - (4) 1 Ss 363/99 (34/00) - m.w.N.).

b) Die von der Kammer getroffenen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen sind indessen so lückenhaft, dass sie eine Überprüfung, ob die Tagessatzhöhe ermessensfehlerfrei bestimmt worden ist, nicht zulassen.

aa) Es ist bereits nicht erkennbar, von welchem Nettoeinkommen das Landgericht bei den beiden Angeklagten ausgegangen ist. Zwar gehören auch Sachleistungen zu dem zu berücksichtigenden Einkommen; es ist aber nicht festgestellt oder sonst ersichtlich, in welcher Höhe den beiden Angeklagten weitere geldwerte Einkünfte in Form der (vom Landgericht ersichtlich berücksichtigten) Mietkostenübernahme anteilig jeweils zur Verfügung stehen. Hinreichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind - soweit dies möglich ist, wogegen hier nichts spricht, - auch bei Empfängern staatlicher Leistungen zum Lebensunterhalt zu treffen (vgl. OLG Köln StV 2009, 592).

bb) Das Landgericht hat zudem zwei Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht, die bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen waren:

Zum einen ist bei einer hohen Geldstrafe - d.h. regelmäßig einer solchen, die 90 Tagessätze übersteigt - eine Absenkung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen, um einer progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 2007 - (4) 1 Ss 367/07 (245/07) -; OLG Stuttgart StV 2009, 131 m.w.N.). Denn mit der zunehmenden Zahl der Tagessätze steigert sich die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe nicht in entsprechender Weise, sondern sie wächst progressiv. Das auf dem Nettoeinkommensprinzip aufgebaute Tagessatzsystem kann deshalb zu einem Einwirkungsübermaß und desozialisierenden Folgen führen, die nicht mehr mit der Pflicht des Richters zu vereinbaren sind, im Rahmen einer sachgerechten Strafzumessung alle Wirkungen zu bedenken, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bleiben solche Folgen auch unter Berücksichtigung von nach § 42 StGB einzuräumenden Zahlungserleichterungen bestehen, ist eine Verringerung der Tagessatzhöhe erforderlich (vgl. BGHSt 26, 325, 330 ff.; 34, 90, 93; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2007, 167; StV 2007, 470; 2009, 137; Senat aaO. m.w.N.).

Zum anderen kann es bei bes...

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