Entscheidungsstichwort (Thema)

keine modernisierende Instandsetzung bei fehlender Amortisation. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine modernisierende Instandsetzung, bei der die Amortisation des Zusatzaufwandes frühestens nach mehr als 20 Jahren eintritt, kann nicht von einer Mehrheit der Wohnungseigentümer beschlossen werden, sondern bedarf als bauliche Veränderung der Allstimmigkeit.

2. Ein Instandsetzungsbeschluß kann vom Gericht auch dann für ungültig erklärt werden, wenn den Wohnungseigentümern bei der Beschlußfassung objektiv unzutreffende Angaben über die Finanzierungsmöglichkeiten (öffentliche Zuschüsse) gemacht worden sind.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2, § 22

 

Beteiligte

III. die übrigen Wohnungseigentümer, wie sie aus dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 15. September 1995 – 85 T 45/93 – ersichtlich sind

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 440/92)

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 45/93)

 

Tenor

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird die Erstbeschwerde der Beteiligten zu III. gegen den Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. Februar 1993 – 70 II 440/92 WEG – zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten aller drei Instanzen werden dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Unter Änderung der zweitinstanzlichen Festsetzung wird der Geschäftswert für alle drei Instanzen auf 40.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die im Jahre 1911 errichtete Wohnanlage besteht aus dem Vorderhaus, dem Seitenflügel und einem Quergebäude, hinter dem ein zweiter Hof liegt. Die zu diesem zweiten Hof gelegene Hinterfront des Quergebäudes ist instandsetzungsbedürftig. Ein Architekt errechnete für fünf Sanierungsvarianten die Nettokosten:

1.

Nur Balkonsanierung

25.155,– DM

2.

Balkonsanierung und Ausbesserung des Fassadenputzes

40.954,– DM

3.

Balkonsanierung und Fassadenneuputz

66.735,– DM

4.

Balkonsanierung, Fassadenneuputz und Fassadenanstrich

76.334,– DM

5.

Balkonsanierung und Wärmedämmputz auf der Fassade

85.135,– DM

abzüglich WBK-Zuschuß für Wärmedämmmaßnahmen

21.600,– DM

64.135,– DM.

Weil damals ein Verwalter fehlte, berief der Verwaltungsbeirat eine Eigentümerversammlung zum 23. September 1992 ein. In dem Einladungsschreiben hieß es zu TOP 7:

„Sanierung der Fassade Quergebäude 2. Hof gem. Kostenschätzung des Architekten … Kostenvarianten 1. – 5.

  1. Ausführungsvariante
  2. Finanzierung der Maßnahmen
  3. Ausführungstermin
  4. Bauleitung”

Die Eigentümermehrheit entschied sich am 23. September 1992 für die Kostenvariante 5 und beschloß eine Sonderumlage von 80.000,– DM, fällig am 30. Januar 1993. Auf den Anfechtungsantrag des Antragstellers erklärte das Amtsgericht Charlottenburg die zu TOP 7 gefaßten Eigentümerbeschlüsse betreffend die Fassadensanierung für ungültig, weil zusätzlich zur Instandsetzung die Anbringung von Wärmeschutzmaßnahmen beschlossen worden sei und es sich hierbei um eine bauliche Veränderung handele, die nur einstimmig hätte beschlossen werden dürfen. Auf die Erstbeschwerde der Eigentümergemeinschaft hat das Landgericht Berlin nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Anfechtungsantrag zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers führte zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG erforderliche Rechtsmittelbeschwer ist erreicht. Das Rechtsmittel ist auch in der Sache gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluß hält nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG) stand.

Ohne Rechtsirrtum verneint das Landgericht einen Formfehler bei der Einladung zur Eigentümerversammlung am 23. September 1992. Im Hinblick auf den damals vorübergehend fehlenden Verwalter durfte der Verwaltungsbeirat gemäß § 24 Abs. 3 WEG die Versammlung einberufen. Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht auch ausgeführt, daß aus der Einladung die Tragweite möglicher Beschlüsse hinreichend im Sinne des § 23 Abs. 2 WEG zu erkennen war. Sowohl die Kostenvarianten 1. – 5. wie auch die Notwendigkeit der Finanzierung waren u. a. genannt. Dabei lag es nahe, daß eine derartige Finanzierung durch eine Sonderumlage umgesetzt wird und sich diese an den voraussichtlichen Kosten orientiert. Es ist im Rahmen des § 23 Abs. 2 WEG nicht erforderlich, daß die Wohnungseigentümer aus der Einladung alle Einzelheiten des Gegenstandes ersehen können. Nach den verfahrensfehlerfreien und in dritter Instanz von dem Antragsteller auch nicht mehr angegriffenen Feststellungen des Landgerichts sind die Eigentümerbeschlüsse vom 23. September 1992 zu TOP 7 im Protokoll korrekt so wiedergegeben, wie sie in der Eigentümerversammlung gefaßt worden sind.

Rechtsfehlerfrei führt das Landgericht ferner Grundsätze auf, nach denen im Zuge einer modernisierenden Instandsetzung Sanierungsarbeiten auch dann mit bloßer Mehrheit (statt mit den Stimmen aller Wohnungseigentümer) beschlossen werden können, wenn sie über die Wiederherstellung eines...

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