Leitsatz

  1. Auch im Rahmen vereinbarter Aus- und Umbauberechtigungen kann Dachterrassen-Gemeinschaftseigentum nicht in ein Vollgeschoss umgestaltet (aufgestockt) werden
  2. Ein durch die Umgestaltung zusätzlich geschaffener Raum steht im Gemeinschaftseigentum, wenn er nicht anfänglich als Sondereigentum begründet wurde
  3. Ohne Zustimmung der restlichen Eigentümer kann diesen nicht neues Gemeinschaftseigentum aufgedrängt werden
 

Normenkette

§§ 14 Ziffer 1, 22 Abs. 1 WEG; §§ 249, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB

 

Kommentar

  1. In der Teilungserklärung war vereinbart, dass jeder Eigentümer berechtigt sei, sein Wohnungseigentumsrecht nebst Sondernutzungsrechten nach seinen Wünschen um- oder auszubauen, und zwar auch dann, wenn dadurch in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen werde, sofern die übrigen Eigentümer hierdurch nicht unzumutbar auf Dauer beeinträchtigt würden.

    Der Eigentümer einer Dachwohnung gestaltete die bisher offene Dachterrasse in ein Vollgeschoss um und berief sich hier auf die vorgenannte vereinbarte Berechtigung.

    Der eingeklagte Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch anderer Eigentümer hatte in beiden Instanzen Erfolg.

  2. Der Rückbauanspruch der Aufstockungsmaßnahme ergibt sich aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 823 Abs. 1, 249 ff. BGB. Die Maßnahme ist nicht durch § 14 Ziffer 1 WEG abgedeckt. Duldungspflicht besteht auch nicht in objektiv-normativer Auslegung der hier getroffenen Vereinbarung (vgl. hierzu etwa BGH, NZM 2006 S. 465, 466). Vorliegend handelte es sich weder um einen Um- noch um einen Ausbau des Wohnungseigentumsrechts der Beklagten. Als gestattet wären hier bei unbefangener Betrachtung nach dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung solcher (baulichen) Maßnahmen bzw. Veränderungen nur solche zu verstehen, die an oder innerhalb der vorhandenen Gebäudehülle vorgenommen werden, nicht aber solche, die – wie hier – durch den Versatz bzw. Abbruch nebst Neuerrichtung von Außenmauern eine neue Form des Baukörpers schaffen, die zwingend mit der Begründung neuen gemeinschaftlichen Eigentums und der (räumlichen) Vergrößerung des Sondereigentums einhergehen. Dass die vormalige Dachterrasse als Gemeinschaftseigentum durch die Umwandlung in ein Vollgeschoss wieder zu Gemeinschaftseigentum führte, ergibt sich aus § 5 WEG, da die Terrassenfläche vormals auch nicht als Sondereigentum der Beklagten begründet wurde (vgl. hier OLG München, Beschluss v. 5.10.2006, 32 Wx 121/06). Den Beklagten war es nicht gestattet, gemeinschaftliches Eigentum durch Abriss vollständig untergehen zu lassen und durch Neuerrichtung von Teilen der Gebäudehülle (also Dach und Fassade) neues Gemeinschaftseigentum in erheblichem Umfang zu schaffen. Mit einer vereinbarten Ausbau- bzw. Umbauberechtigung lässt sich die vorgenommene Maßnahme aus objektiver Sicht nicht rechtfertigen. Ein Miteigentümer kann auch den anderen Eigentümern ohne deren Zustimmung nicht neues Gemeinschaftseigentum aufdrängen (vgl. OLG München, DNotZ 2007 S. 946, 947). Eine solch weitgehende Umbaubefugnis hätte in der Teilungserklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck kommen müssen.
  3. Insoweit ist auch von einer nachteiligen baulichen Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG ohne bestehende Duldungspflicht der restlichen Eigentümer gemäß § 14 Ziffer 1 WEG auszugehen. Von nachteiliger Veränderung ist auszugehen, da sich andere Eigentümer in entsprechender Lage verständlicherweise zu Recht beeinträchtigt fühlen können (vgl. hierzu BGH, NZM 2011 S. 512). Auch der optische Gesamteindruck wurde hier durch Veränderung der Gebäudesilhouette erheblich nachteilig verändert.
  4. Die Beseitigungspflicht ist den Beklagten nach Treu und Glauben zuzumuten, da sie das Risiko des Rückbaus selbst eingegangen sind (anders als im Fall OLG Düsseldorf, ZMR 2004 S. 954). Auch aus der erteilten Baugenehmigung konnten die Beklagten im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext nichts herleiten, weil diese unbeschadet der Rechte Dritter nach Bauordnungsrecht erteilt wurde und eine Bauordnungsbehörde nicht etwaige Nachteilswirkungen im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG mitüberprüft.
 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Urteil vom 29.02.2012, 318 S 236/10

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