Leitsatz

  1. Die Zustimmung zur Veräußerung eines Grundstücksteils an den Nachbarn kann nicht durch Beschluss erzwungen werden
  2. Eine Veräußerung als Eingriff in die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft ist keine durch Beschluss oder Vereinbarung regelbare Verwaltungsmaßnahme
  3. Wohnungseigentumsgesetzliche Regelungen verdrängen auch etwaige Mitwirkungsansprüche nach § 745 Abs. 2 BGB im Bruchteilsgemeinschaftsrecht
  4. Nur im Ausnahmefall bestehen nach Treuepflichten der Eigentümer untereinander Mitwirkungspflichten im Sinne verpflichtender Veräußerungszustimmung (vorliegend verneint)
 

Normenkette

§§ 10, 21 Abs. 3 WEG; §§ 242, 745 Abs. 2 BGB

 

Kommentar

  1. Ein Grundstücksnachbar hatte schon vor Jahrzehnten eine Mauer zur Abgrenzung vom WEG-Grundstück errichtet und dabei versehentlich ein Teilstück der Mauer auf das WEG-Grundstück gesetzt. Als dies 2003 in der Gemeinschaft bekannt wurde, beschlossen die Eigentümer eine entsprechende Teilfläche von ca. 7 qm für 5.000 EUR an den Grundstücksnachbarn zu verkaufen. Ein Eigentümer unterzeichnete den notariellen Grundstückskaufvertrag nicht. Nachfolgend wurde in der Gemeinschaft der Beschluss gefasst, den Kauf zu vollziehen und notfalls den bisher nicht zustimmenden Eigentümer ggf. gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Das Grundbuchamt lehnte die Umschreibung ab, sodass es zur Klage der Gemeinschaft kam. Während die Klage beim Amtsgericht Erfolg hatte, wurde vom Landgericht in der Berufungsinstanz die Klage abgewiesen; die Revision gegen das Berufungsurteil hatte keinen Erfolg.
  2. Die Prozessführungsbefugnis der klagenden Gemeinschaft war insoweit gegeben, als sich die Klägerin auf Mitwirkungsansprüche stützt, die den Eigentümern als Individualansprüche gegen den Beklagten zustehen. Insoweit sind durch den erwähnten letzten Beschluss Ansprüche dem Verband zur Ausübung übertragen worden. Es ist von bestehendem erforderlichen Gemeinschaftsbezug auszugehen, sodass die Prozessführungsbefugnis der klagenden Gemeinschaft gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 WEG zu Recht gegeben war (vgl. BGH, Urteil v. 18.6.2010, V ZR 193/09 und BGH v. 15.1.2010, V ZR 80/09). Hiervon ist selbst dann auszugehen, wenn der gefasste Beschluss im Übrigen wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sein sollte.
  3. Mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft waren die vorgenannten Beschlüsse nichtig, da eine Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft betrifft und schon aus diesem Grund keine Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG darstellt (h. M.). Folglich besteht auch für eine schuldrechtliche Verpflichtung zu einer solchen Veräußerung keine Beschlusskompetenz.
  4. Aus gleichen Gründen konnte der Anspruch der Gemeinschaft nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gestützt werden, da das Begehren der Eigentümer nicht auf Mitwirkung an einer Vereinbarung gerichtet war. Über Vereinbarung wird allein das Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer inhaltlich ausgestaltet; davon ist eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen Zuordnung zu unterscheiden (vgl. auch zu § 5 Abs. 3 und 4 WEG BGH, Urteil v. 4.4.2003, V ZR 322/02). Sachenrechtliche Veränderungen können nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein, und zwar auch dann nicht, wenn eine Vereinbarung nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung an einer solchen Änderung sachenrechtlicher Grundlagen der Gemeinschaft begründen soll. Die Veräußerung eines Teils des gemeinschaftlichen Grundstücks betrifft nicht das Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer untereinander, sondern die Eigentumsverhältnisse und damit die sachenrechtlichen Grundlagen der Gesamtgemeinschaft. Im Innenverhältnis der Gemeinschaft können insoweit solche Änderungen nicht im Sinne einer Vereinbarung i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG erzwungen werden; dies gilt erst recht für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten, welches auf Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen gerichtet ist.
  5. Während § 747 Satz 2 WEG auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern gilt, kann ein Anspruch der restlichen Eigentümer auch nicht auf § 745 Abs. 2 BGB (Bruchteilsgemeinschaftsrecht) gestützt werden, da diese Bestimmung durch wohnungseigentumsgesetzliche Regelungen verdrängt wird.
  6. Allein in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen könnte sich aus der Treuepflicht der Eigentümer untereinander ein Anspruch auf Mitwirkung des Beklagten ergeben und damit eine Verpflichtung aller Eigentümer zur Änderung auch der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft gemäß § 242 BGB. Insoweit muss es sich allerdings um außergewöhnliche Umstände handeln, die eine Verweigerung der Zustimmung als grob unbillig und damit als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. Senat, Urteil v. 11.5.2012, V ZR 189/11).

Vorliegend war eine solche Ausnahme zu verneinen, zumal den Wohnungseigentümern hier verschiedene andere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. So können sie bei späterer Entfernung der Mauer auf Einhaltung der Grundstücksgrenzen ...

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