Leitsatz

  1. Beschlusskompetenz zur Eventualeinladung einer Wiederholungsversammlung für die Zukunft bzw. allein für die nächstfolgende Versammlung als noch offene Rechtsfrage
  2. Zur Abgrenzung von Beseitigungs- bzw. Nutzungsunterlassungsansprüchen und bereits konstitutiven, anspruchsbegründenden Beschlussinhalten
  3. Ein Beschlussinhalt mit Verpflichtung (hier: zur Unterlassung der Nutzung eines Teileigentums als Spielhalle oder Internetcafé) ist als konstitutiv/anspruchsbegründend auszulegen, auch wenn insoweit zusätzlich die Einleitung gerichtlicher Schritte mitentschieden wurde
  4. Anspruchsbegründende Folgebeschlüsse verstoßen gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie in Konkurrenz zu bereits rechtshängigen, wenn auch noch nicht rechtskräftig entschiedenen Ansprüchen treten und ein Vorverfahren unterlaufen bzw. zulasten eines Störers verdoppeln
 

Normenkette

§§ 15, 21, 25, 43 WEG; §§ 139, 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Zum Sachverhalt:

    In einer großen Münchner Gemeinschaft beabsichtigte eine Teileigentümerin im Erdgeschoss der Anlage, ihre Einheit als Spielhalle und Internetcafé zu nutzen oder nutzen zu lassen. Die Gemeinschaft beschloss dagegen vorzugehen und erhob eine Klage auf Untersagung dieser Nutzung. Der Klageanspruch wurde vom Amtsgericht München mit Urteil vom 11.5.2009 (Az. 482 C 530/09) bestätigt, das Urteil gegen hohe Sicherheitsleistung auch für vorläufig vollstreckbar erklärt; die Sicherheitsleistung wurde auch von der Gemeinschaft finanziert. Dieses Verfahren ist im Augenblick noch in der Berufungsinstanz bei der 1. Zivilkammer des Landgerichts München I anhängig; dort wird derzeit ein kriminologisches Sachverständigengutachten zur Frage der Nutzung dieser Einheit eingeholt.

    In einer weiteren Eigentümerversammlung vom 15.6.2009 wurde in der Gemeinschaft ein neuerlicher Beschluss gefasst mit dem Inhalt einer "Verpflichtung der Teileigentümerin, für den Fall einer Nutzung ihrer Einheit durch sie selbst oder durch einen Pächter/Mieter für den Betrieb einer Spielhalle und/oder eines Internet- bzw. Billardcafés, dafür Sorge zu tragen, dass eine solche Nutzung beendet wird". Dieser Beschluss ist in diesem Verfahren aufgrund Anfechtung der Teileigentümerin streitgegenständlich.

    Diese Versammlung wurde auch unter Berufung auf einen bestandskräftigen Beschluss aus dem Vorjahr (2008) "eventual" eingeladen, d.h. Durchführung einer unmittelbar anschließenden Wiederholungsversammlung bei festgestellter Beschlussunfähigkeit der Versammlung zum erstgenannten Termin eine halbe Stunde später am gleichen Ort und mit gleicher Tagesordnung.

  2. Aus den Gründen des Berufungsurteils:

    2.1

    Ob zulässigerweise mit Beschlusskompetenz in Abweichung der abdingbaren Bestimmung in § 25 Abs. 4 WEG eine sog. Eventualeinberufung beschlossen werden kann, ist nach wie vor umstritten. Zum einen wird hierfür auf das Fehlen entsprechender Beschlusskompetenz verwiesen, überdies die Verbindung beider Einberufungen als gesetzessystemwidrig angesehen, da § 25 Abs. 4 WEG schrittweises Vorgehen erfordere, andernfalls § 25 Abs. 3 WEG zur grundsätzlichen Beschlussfähigkeit bedeutungslos werde (so etwa Riecke/Schmidt); erforderlich sei deshalb eine ausdrückliche Vereinbarung, ein gleichwohl gefasster, auf Dauer das Gesetz ändernder Mehrheitsbeschluss sei nichtig (ebenso Merle in Bärmann; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten; OLG Frankfurt; OLG Köln; LG Mönchengladbach, auch unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 25 Abs. 4 WEG, der verhinderten Teilnehmern an einer Erstversammlung die Chance zur Teilnahme an einer Wiederholungsversammlung geben soll). Entsprechende Vorschalt- bzw. Organisationsbeschlüsse sollen insoweit generell unzulässig sein (so Wenzel); dies hat zur Konsequenz, dass in einer solchen Zweitversammlung gefasste Beschlüsse für ungültig zu erklären sind, sofern nicht feststeht, dass der Ladungsmangel für das Beschlussergebnis nicht kausal geworden ist. Demgegenüber wird von anderer Meinung danach differenziert, ob durch Beschluss die Möglichkeit zur Eventualeinberufung künftig und generell geschaffen werden soll (mangels Vereinbarung mit Beschlussnichtigkeitsfolge) oder sich ein solcher Beschluss nur auf die nächste Eigentümerversammlung als gesetzwidriger Einzelfall beziehen soll (allein mit Anfechtungsfolge) und entsprechender Bindungswirkung des Beschlusses mangels Anfechtung allein wegen eines einmaligen Formmangels (so etwa Spielbauer/Then, sowie KG noch vor der "Zitterbeschluss-Grundsatzentscheidung" des BGH v. 20.9.2000).

    Die Kammer erwähnt bei angenommener Zulässigkeit der Eventualeinberufung die mögliche Konsequenz im Einzelfall, dass insoweit auch eine sehr kleine Minderheit wirksame Beschlüsse fassen könnte. Allerdings könne die noch ungeklärte Problematik im vorliegenden Einzelfall ausdrücklich offenbleiben, da der angefochtene Beschluss auch aus materiellen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.

    2.2 Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist der angefochtene Beschluss in seinem Gesamtinhalt nicht als Vorschalt- bzw. Ermächtigun...

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