Leitsatz

Mängel am Gemeinschaftseigentum mit Folgeschäden im Sondereigentum rechtfertigen keine nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche des Sondereigentümers gegen die Gemeinschaft analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB

 

Normenkette

§§ 14, 21 WEG; §§ 904, 906, 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Zum Sachverhalt:

    An der Wohnzimmerdecke der klägerischen Wohnung kam es zu Durchfeuchtungsschäden. Die in den Folgemonaten durchgeführten Reparaturversuche führten zunächst zu keinem Erfolg. Vielmehr traten neuerliche Wasserschäden auf, bis dann einige Wochen später nach Einschaltung eines Sonderfachmanns die Schadensursache als Konstruktionsfehler am Tür-/Fensterelement der über der klägerischen Wohnung liegenden Eigentumswohnung erkannt und durch Austausch dieses Bauelements im Auftrag der Gemeinschaft behoben werden konnte. Für seine erlittenen Mietminderungen und -ausfälle nach Auszug des Mieters sowie eigenen Kostenaufwand für Instandsetzung (von insgesamt etwa 5.000 EUR) verklagte der geschädigte Sondereigentümer die Gemeinschaft unter Hinweis auf den seiner Meinung nach einschlägigen, verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog.

  2. Aus den Gründen:

    1. In Übereinstimmung mit den beiden Vorinstanzen lehnte der BGH den Anspruch ab, musste aber zunächst die streitgegenständlich unterschiedlichen Ansprüche aus dem Delikts- und dem Nachbarrecht als verfahrensrechtlich teilbar – wenn auch auf dasselbe Ziel gerichtet – und damit auch vorliegend rechtsmittel- und revisionsfähig bestätigen.
    2. Jeder Schadensersatz – oder auch Ausgleichsanspruch – setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus, und zwar entweder seitens der Wohnungseigentümer selbst oder eines einzelnen Eigentümers oder auch seitens des Verbands mit zurechenbarem Verschulden Dritter bei der Umsetzung eines Beschlusses (insoweit nach Grundsätzen der §§ 31 oder 278 BGB). § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem dort unter weiteren Voraussetzungen angesprochenen Geldausgleichsanspruch kompensiert dagegen normalerweise gegebene Abwehransprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. bereits BGHZ 111, S. 158, 167). Allerdings geht es nach dem Wortlaut dieser Bestimmung um Schadensausgleiche zu negativen Einwirkungen, die von einem Nachbargrundstück auf ein anderes Grundstück ausgehen (vgl. BGHZ 142, S. 66, 67; 157, S. 188, 189). Anders als bei üblichen Schadensersatzansprüchen bestimmt sich hier die Ersatzpflicht nicht nach §§ 249 ff. BGB, sondern als Geldausgleich in Anlehnung an Grundsätze einer Enteignungsentschädigung.
    3. Der verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist als Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen Ausgleichs nur bei struktureller Vergleichbarkeit und auf andere Weise nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit analogiefähig; eine solche Analogie ist hier zu Ausgleichszwecken zwischen Miteigentümern bei Baumängeln und -schäden am Gemeinschaftseigentum nicht möglich; der Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB betrifft allein gegenläufige Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke und insoweit bestehender gegenseitiger Rücksichtnahmepflichten. Ordnungsgemäße Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftseigentums liegt im Wohnungseigentumsrecht demgegenüber im Interesse aller Miteigentümer, auch wenn es hier um Folgeschäden im Sondereigentum geht, die ursächlich durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum desselben Grundstücks begründet wurden; für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums stehen alle Eigentümer in Verantwortung.
    4. Aus diesem Grund liegt auch keine durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließende Lücke für die Anerkennung eines solchen Aufopferungsanspruchs im Sinne des § 904 Satz 2 BGB (analog) vor, zumal im Wohnungseigentumsrecht jeder Eigentümer Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums besitzt, der auch Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG umfasst. Im Wohnungseigentumsrecht gibt es im dort bestehenden Gemeinschaftsverhältnis spezielle Schutz- und Treuepflichten unter Eigentümern, sodass auch nicht zusätzlich auf solche nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche nach BGB abgestellt werden muss (vgl. J.H.Schmidt, ZMR 2005, S. 669, 677).
    5. Von Beeinträchtigungen seitens eines anderen Eigentümers war i.Ü. vorliegend bei einem ursächlichen Mangel am Gemeinschaftseigentum nicht auszugehen, sodass auch nicht auf Entscheidungsgründe des OLG Stuttgart (NJW 2006 S. 1744) oder des LG Bochum (VersR 2004 S. 1454) entscheidungserheblich abgestellt werden musste.
Anmerkung

Nochmals zur Klarstellung: Im Wohnungseigentumsrecht treten sehr häufig Folgeschäden im und am Sondereigentum auf, wenn Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums schadensursächlich mangelhaft und sanierungsbedürftig (geworden) ist. Handeln hier Gemeinschaft und (organisatorisch) Verwalter pflichtgemäß, d.h. in der nach dem jeweiligen Einzelfall gebotenen Eilbedürftigkeit zur ordnungsgemäßen Sanierung der schadensursächlichen Bauteile des Gemeinschaftseigentums (u.U. auch über alternative Sanierungsversuche), mus...

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