Leitsatz

  • Der Widerruf einer vereinbarten Verwalterzustimmung zu einer Nutzungszweckänderung eines Wohnungseigentums beurteilt sich nach § 183 BGB

    Nutzung einer Wohnung im 1. OG (Wohnbereich) als Friseursalon grundsätzlich störender als Nutzung zu Wohnzwecken

    Büronutzung eines Wohnungseigentums beurteilt sich nach Umständen des Einzelfalles (Größe, Charakter der Wohnanlage und vor allem Art der vorgesehenen Büronutzung)

    Veräußerung nach Antragstellung: Fortführung des Verfahrens in

    Prozessstandschaft.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 WEG, § 183 BGB

 

Kommentar

1. Ist in einer Gemeinschaftsordnung vereinbart, dass zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in einer Eigentumswohnung die schriftliche Zustimmung des Verwalters erforderlich ist ("Erteilungsmöglichkeit auch unter Auflagen sowie Verweigerung nur aus wichtigem Grund, insbesondere ungebührlicher Beeinträchtigung der Eigentümer oder übermäßige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums"), so ist grundsätzlich eine solche Einwilligung zunächst in die Hand des Verwalters gelegt. Eine solche Entscheidung unterliegt jedoch einer Kontrolle durch die Eigentümer sowie einer Überprüfung durch das Gericht. Vorliegend hatte die Gemeinschaft mehrheitlich die Nutzungsänderung abgelehnt. Daraufhin musste der Verwalter seine bereits erteilte Zustimmung widerrufen. Dieser Widerruf beurteilt sich nach § 183 BGB.

2. Die Nutzung einer im 1. OG gelegenen Eigentumswohnung als Friseursalon stört und beeinträchtigt jedenfalls in einer kleinen Wohnanlage grundsätzlich mehr als die zweckbestimmungsgemäße Nutzung gemäß Vereinbarung zu Wohnzwecken. Dies ergibt sich aus gebotener verallgemeinernder Betrachtungsweise. Die hier getroffene Vereinbarung ist nach objektiver (nächstliegender) Bedeutung so auszulegen, dass bei einer solchen mutmaßlichen erhöhten Beeinträchtigung dem Verwalter keinErmessensspielraum mehr eingeräumt ist (vgl. auch BayObLG, WE 97, 319 m.w.N und ständige Rechtsprechung).

Der Wohnbereich in den oberen beiden Stockwerken dieser kleineren Anlage mit insgesamt nur 4 Wohnungen ist doch bei 3 Beschäftigten und etwa 15 Kunden eines Friseurgeschäfts als beeinträchtigend für die übrigen Eigentümer und Mieter anzusehen, auch wenn sich im EG des Hauptgebäudes hier die Teileigentumsräume einer Bank befinden. Weiterhin ist beim Betrieb eines Friseursalons mit dem Auftreten von Dämpfen und Gerüche zu rechnen, die in einem reinen Wohnbereich nicht hingenommen werden müssen.

3. Für die Frage, ob der Nutzung einer Wohnung als Büro ein wichtiger Grund entgegen steht, kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Art des Bürobetriebes, daneben auch auf Größe und Charakter der Wohnanlage sowie den Umfang des zu erwartenden Publikumsverkehrs.

4. Auch wenn ein Eigentümer nach Antragstellung auf Zweckänderungs-Gestattung sein Wohnungseigentum veräußert, hat dies auf seine Stellung als Verfahrensbeteiligter keinen Einfluss; § 265 ZPO ist entsprechend anzuwenden. Der Veräußerer führt hier das Verfahren in Verfahrensstandschaft für den neuen Rechtsträger fort; eine rechtskräftig gewordene Gerichtsentscheidung wirkt auch für und gegen den Erwerber ( § 45 Abs. 2 Abs. 1 WEG, § 325 Abs. 1 ZPO entsprechend, vgl. auch BayObLGZ 1994, 237/239 m.w.N.).

5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung zu Lasten des unterlegenen Antragsstellers im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert in allen Rechtszügen von DM 10.000,-

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 31.08.2000, 2Z BR 39/00)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

§ 183 BGB lautet:

"Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse sich ein anderes ergibt. Der Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Teile gegenüber erklärt werden".

Eine solche Zustimmung (Einwilligung) ist wie eine Vollmacht ( § 168 BGB) grundsätzlich frei widerruflich.

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