0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) am 1.1.1997 in Kraft getreten und seitdem unverändert geblieben.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Abs. 1 hatte im Dritten Buch der RVO keinen Vorläufer. Nach damaligem Recht galten die Berufskrankheit, der Wegeunfall und der Arbeitsgeräteunfall jeweils kraft Fiktion auch als Arbeitsunfall. Mit dem SGB VII wird die Systematik klarer herausgearbeitet. Inhaltlich ändert sich freilich insoweit nichts. Abs. 2 hatte § 548 Abs. 3 RVO als Vorläufer.

2 Rechtspraxis

2.1 Arbeitsunfall und Berufskrankheit

 

Rz. 3

In der Art einer Einweisungsnorm nennt Abs. 1 die Versicherungsfälle im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. In den nachfolgenden Vorschriften werden die Voraussetzungen für den Eintritt eines Arbeitsunfalls (§ 8) und einer Berufskrankheit (§ 9) sowie weitere damit im Zusammenhang stehende Voraussetzungen normiert.

2.2 Versicherungsfall

2.2.1 Begriffsinhalt und Abgrenzung

 

Rz. 4

Der Begriff des Versicherungsfalles wird im Gesetz nicht definiert. Allgemein wird darunter die Umschreibung des Versicherungswagnisses verstanden. Der Eintritt eines Versicherungsfalles ist – von vorbeugenden Leistungen abgesehen – zwingende Voraussetzung für den Eintritt eines Leistungsfalles; er darf jedoch nicht mit dem Leistungsfall gleichgesetzt werden (BSG, Urteil v. 16.3.2010, B 2 U 4/09 R, SGb 2011 S. 220). Die Leistungsfälle, d. h. die Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Leistungen, sind gesondert normiert. Allerdings kommt der Eintritt eines Versicherungsfalles nur dann in Betracht, wenn ein irgendwie gearteter Personenschaden eingetreten ist. Der folgenlos gebliebene Unfall ist kein Arbeitsunfall.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer trägt bei einer versicherten Tätigkeit eine leichte Prellung der Schulter davon. Damit ist der Versicherungsfall (Arbeitsunfall) eingetreten. Es ist ggf. eine einmalige ärztliche Behandlung erforderlich (insoweit Leistungsfall), die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld oder gar Rente sind nicht gegeben (insoweit kein Leistungsfall).

 

Rz. 5

 
Wichtig

Oftmals wird nicht um die Gewährung bestimmter Leistungen gestritten sondern darum, ob überhaupt ein Arbeitsunfall eingetreten ist oder ob eine bestimmte Berufskrankheit vorliegt. Der Versicherte muss in einem solchen Falle nicht einen bestimmten Leistungsantrag stellen. Er kann die Anerkennung des Versicherungsfalles beantragen. Im Sozialgerichtsprozess ist dann die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (auf Feststellung, dass am ... ein Arbeitsunfall eingetreten ist oder auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. ... der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung) die statthafte Klageart (BSG, Urteil v. 13.12.2005, B 2 U 29/04 R, SozR 4-2700§ 8 Nr. 16 = NJW 2007 S. 399).

2.2.2 Voraussetzungen für den Eintritt eines Versicherungsfalles

 

Rz. 5a

Zur Feststellung eines Versicherungsfalls sind in mehrerlei Hinsicht Zusammenhangsfragen zu klären. Zunächst muss der innere (sachliche) Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten (beim Arbeitsunfall) bzw. der schädigenden beruflichen Einwirkung (bei der Berufskrankheit) und einer versicherten Tätigkeit bestehen. Anders ausgedrückt: Die unfallbringende Betätigung darf nicht als privat und eigenwirtschaftlich zu werten sein. Die schädigende Einwirkung darf nicht von einem ubiquitär vorkommenden Stoff herrühren. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei dieser Wertung kommt der Handlungstendenz des Versicherten, dem Zweck seines Handelns maßgebliche Bedeutung zu (BSGE 58 S. 76, 77). Der Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis wird als Unfallkausalität bezeichnet (BSG, Urteil v. 17.2.2009, B 2 U 18/07 R, NZS 2010 S. 47). Als Einwirkungskausalität wird der Zusammenhang zwischen der Verrichtung und Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper bezeichnet (BSG, Urteil v. 2.4.2009, B 2 U 9/08 R, BSGE 103 S. 59 = NZS 2010 S. 288). Die unfallbringende Betätigung bzw. die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität – BSG, a. a. O.). Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist zu prüfen, ob die geltend gemachte Gesundheitsstörung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit zurückzuführen ist, oder ob es sich um ein unfallunabhängiges Leiden handelt.

 

Rz. 5b

Der innere Zusammenhang ist im Rahmen einer rein rechtlichen Wertung zur Reichweite der Versicherung zu klären. Für die übrigen Ursachenzusammenhänge ist eine Prüfung nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung durchzuführen. Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der U...

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