Leitsatz

Rechtsirrtümliche Nichtladung eines Eigentümers (hier: Garageneigentümers) zur Eigentümerversammlung führt nur zu einer Beschlussanfechtungsberechtigung, nicht zur Beschlussnichtigkeit

 

Normenkette

§§ 23 Abs. 4, 24 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

  1. In einem Wohngeld-Inkassoverfahren nach beschlossenen Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen stellte sich heraus, dass ein Garageneigentümer bisher nie zu den betreffenden Eigentümerversammlungen eingeladen wurde; er ist dort auch nicht erschienen. Die Verwaltung hatte bisher irrtümlich angenommen, dass Garageneigentümer nicht zum Kreis der einzuladenden Wohnungseigentümer gehörten. Die beiden Vorinstanzen wiesen die Zahlungsklage der Gemeinschaft unter Berufung auf Nichtigkeit der die Anspruchsgrundlagen bildenden Beschlussfassungen zurück. Die Revision hiergegen hatte Erfolg.
  2. Bereits nach bisheriger Senatsrechtsprechung (BGH v. 23.9.1999, V ZB 17/99) führt die Nichtladung einzelner Eigentümer regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit in der Versammlung gefasster Beschlüsse. Von Beschlussnichtigkeit ist nur auszugehen, wenn ein Beschluss gegen zwingende, unabdingbare Rechtsvorschriften (aus dem WEG oder Normen des übrigen privaten oder öffentlichen Rechts) verstößt, namentlich aus §§ 134, 138 BGB und § 56 Satz 2 ZVG. Formvorschriften des WEG sind demgegenüber dispositiv und können auch durch Vereinbarung abgeändert werden.
  3. Eine ausnahmsweise Beschlussnichtigkeit ist allerdings zu bejahen, wenn der einzelne Eigentümer vorsätzlich und gezielt von der Mitwirkung in der Gemeinschaft ausgeschlossen werden soll; ein solcher Ausschluss steht dann einer bewussten Umgehung des Rechts an der Mitverwaltung des Eigentümers gleich (überwiegend vertretene Rechtsmeinung in Lit. und Rechtsprechung).

    Nach anderer Ansicht (von Merle, Merle/Becker, Bonifacio, Suilmann) ist im Fall einer Nichtladung stets von Beschlussnichtigkeit auszugehen, da insoweit unverzichtbare Teilnahmerechte des Eigentümers verletzt werden und in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingegriffen wird. Nach dieser Auffassung können Beschlüsse auch nicht gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG bestandskräftig werden.

  4. Der Senat hält jedoch an seiner bisherigen Auffassung fest. Nur in ganz besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen erfolgter Nichtladung ist von Beschlussnichtigkeit auszugehen, etwa wenn ein Eigentümer in böswilliger Weise gezielt von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen werden soll. Vorliegend hat der Verwalter zwar den zahlungsbeklagten Eigentümer bewusst nicht zu Versammlungen geladen, allerdings aufgrund eines bloßen Rechtsirrtums, da er fälschlicherweise annahm, Garageneigentümer zählten nicht zum Kreis der einladungspflichtigen Wohnungseigentümer.
  5. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (LG Dortmund) zurückverwiesen, da dort zur Berechtigung der Zahlungsanforderungen noch Feststellungen zu treffen seien, obgleich die Beschlüsse zu den Abrechnungen und Wirtschaftsplänen mangels fristgerechter Anfechtung bereits bestandskräftig wurden.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 20.7.2012, V ZR 235/11

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