Leitsatz

Für die Wohnungseigentümer besteht eine Pflicht zur unverzüglichen Instandsetzung, wenn der Gebrauch/die Nutzung des vom Mangel des gemeinschaftlichen Eigentums betroffenen Sondereigentums unmöglich ist.

 

Das Problem

  1. Wegen einer mangelhaften Wärmedämmung kommt es trotz ordnungsgemäßem Lüftungsverhaltens im Sondereigentum von Wohnungseigentümer K, das er an Mieter M vermietet hat, zu Schimmel. Das Sondereigentum wird unbewohnbar. M führt gegen K nach §§ 485 ff. ZPO ein selbstständiges Beweisverfahren.

    § 485 ZPO Zulässigkeit

    (1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

    (2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

    1. der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
    2. die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
    3. der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels

    festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

    (3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 ZPO erfüllt sind.

    K verkündet den übrigen Wohnungseigentümern den Streit.

    § 72 ZPO Zulässigkeit der Streitverkündung

    (1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.

    (2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. … .

    Das im selbstständigen Beweisverfahren auf Antrag von M eingeholte Gutachten ergibt Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums und rät dazu, die Innenwände des Sondereigentums des K zu dämmen.

  2. K beantragt daraufhin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein Sondereigentum auf Kosten aller Wohnungseigentümer innen dämmt. Die anderen Wohnungseigentümer lehnen diesen Beschluss ab. Gegen diesen Beschluss geht K vor. Das Amtsgericht erklärt die Ablehnung einer Innendämmungsmaßnahme im Sondereigentum des K für ungültig. Ferner ersetzt es nach § 21 Abs. 8 WEG einen entsprechenden Beschluss. Dagegen legen die anderen Wohnungseigentümer Berufung ein.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! K habe gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG einen Anspruch darauf, dass das gemeinschaftliche Eigentum in einem einwandfreien Zustand gehalten oder – falls ein solcher niemals bestanden habe – erstmals in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt werde (Hinweis auf BGH v. 17.10.2014, V ZR 9/14, MDR 2015 S. 16). Dazu gehöre auch, dass die Wärmedämmung, die gemäß § 5 Abs. 2 WEG stets im gemeinschaftlichen Eigentum stehe (Hinweis auf KG Berlin v. 22.9.2008, 24 W 83/07, ZMR 2009 S. 135), in einen Zustand versetzt werde, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den geltenden technischen Anforderungen entsprochen habe.
  2. K's Anspruch sei auch nicht verjährt. Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung sei eine Dauerverpflichtung und könne nicht verjähren (Hinweis auf BGH v. 27.4.2012, V ZR 177/11, MDR 2012 S. 834). Daran ändere nichts, dass im Jahr 1999 neue Fenster eingebaut worden seien. Zwar könnten die neuen Fenster die Problematik verschärft haben. Die Fenster seien aber nicht ursächlich für die Schimmelbildung: Die Ursache liege in der nicht ausreichenden Dämmung der Außenwände. Deshalb habe die Pflicht zur ordnungsmäßigen Instandsetzung auch schon vor dem Fenstertausch bestanden. Diese Pflicht sei durch eine andere Baumaßnahme inhaltlich nicht verändert worden oder plötzlich der Verjährung unterworfen.
  3. Zu Recht habe das Amtsgericht die beklagten Wohnungseigentümer auch zu einer Innendämmung entsprechend den Empfehlungen des Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren verurteilt. Allerdings hätten die Wohnungseigentümer bei der Bestimmung von Art und Zeitpunkt einer Instandsetzungsmaßnahme einen Gestaltungsspielraum und dürften dabei Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen (Hinweis auf BGH v. 17.10.2014, V ZR 9/14, MDR 2015 S. 16). Es bestehe aber eine Pflicht zur unverzüglichen Instandsetzung, wenn die Nutzung des vom Mangel des gemeinschaftlichen Eigentums betroffenen Sondereigentums unmöglich sei. So liege es im Fall. Durch die zu schwache Wärmedämmung des gemeinschaftlichen Eigentums käme es auch bei ordnungsgemäßem Nutzungsverhalten zu Schimmelbefall im Sondereigentum des K, das wegen der damit einhergehenden erheblichen Gesundheitsgefahren nicht mehr bewohnbar sei. Die b...

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