Leitsatz

  1. Das Ermessen der Wohnungseigentümer, das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten, ist auf Null reduziert, wenn eine Erhaltung "zwingend" ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Sondereigentum wegen fehlender Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums unbewohnbar geworden ist.
  2. Wird eine zwingend erforderliche Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums schuldhaft verzögert, schulden die Wohnungseigentümer Schadensersatz, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.
 

Normenkette

§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG; § 280 Abs. 1 BGB

 

Das Problem

  1. In einer Andernacher Wohnungseigentumsanlage bestehen 3 Miteigentumsanteile. Wohnungseigentümer B ist Sondereigentümer der Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Wohnungseigentümer K Sondereigentümer der im Keller gelegenen dritten Wohnung. K erwarb seine Wohnung im Jahr 2002 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung zu einem Kaufpreis von 85.000 EUR. Die Wohnung weist seit 2008 einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind in 1. Linie Planungsfehler beim Umbau der Keller- in Wohnräume und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.
  2. K klagt gegen B auf anteilige Aufbringung der Kosten für Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Zu diesem Zweck soll B der Bildung einer Sonderumlage von rund 54.500 EUR zustimmen. Außerdem soll B aufgrund der verzögerten Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums Schadensersatz zahlen. Schließlich soll festgestellt werden, dass B zum Ersatz K's künftiger Schäden verpflichtet ist.
  3. Das Amtsgericht Andernach (Urteil v. 28.11.2012, 60 C 598/10 WEG) verurteilt B entsprechend. Auf B's Berufung hebt das Landgericht Koblenz das Urteil auf und weist die Klage ab. B's Kostenbelastung überschreite die "Opfergrenze": B sei alt und finanzschwach. Im Übrigen sei sein Sondereigentum auch ohne die Instandsetzung nutzbar. Hiergegen richtet sich K's Revision.
 

Entscheidung

  1. Mit Erfolg! K könne sowohl die Zustimmung zur anteiligen Kostentragung als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen. Jeder Wohnungseigentümer könne nach § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Zwar hätten die Wohnungseigentümer insoweit ein Ermessen: sie müssten das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb seien sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen gegebenenfalls zurückzustellen. Anders liege es aber dann, wenn die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich sei. So liege es hier: Infolge der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum sei K's Wohnung unbewohnbar. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer sei in solchen Fallkonstellationen kein Raum mehr. Eine andere Sichtweite liefe der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider. Zudem müsste K die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl er es dauerhaft nicht nutzen könnte.
  2. Im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche sei die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Insoweit sei aber darauf hinzuweisen, dass eine Ersatzpflicht für solche Schäden an einem Sondereigentum in Betracht komme, die dadurch entstehen, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterbleibe. Eine Haftung könne diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten hätten.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Sachverhalt und Entscheidung sind einer der seltenen Pressemitteilungen des Bundesgerichtshofes zum WEG entnommen (Nr. 146/2014 v. 17.10.2014). Eine ausführliche Darstellung der Problematik kann daher noch nicht erfolgen. Bereits jetzt kann man aber sagen, dass die Entscheidung, soweit sie die Frage anspricht, wann das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten ist, sich auf gut bereitetem Boden bewegt. Es kann nicht streitig sein, dass das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten ist, wenn bereits ein Sondereigentum unbewohnbar ist. Dass die anderen Wohnungseigentümer an der Erhaltung gegebenenfalls kein vorrangiges Interesse haben, weil sie von den Mängeln nicht unmittelbar berührt werden, kann kein Prüfstein sein. Und auch, dass ein anderer Wohnungseigentümer sich in Ermangelung von Mitteln an der Sonderumlage eigentlich nicht beteiligen kann, ist egal. So bitter es ist: Dann muss er sein Wohnungseigentum verkaufen!
  2. Im Ergebnis "Neuland" ist die Frage, welche Person bei einer Verzögerung der Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Schadensersatz schuldet. Hier sollte jeder den 2., von mir gebildeten Leitsatz beachten.

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