Rz. 216

Nach § 1381 BGB hat der Schuldner die Möglichkeit, die Ausgleichsforderung zu verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Einzelfalls grob unbillig wäre. Diese Vorschrift stellt ein Billigkeitskorrektiv in der ansonsten rein schematisch zu betrachtenden Zugewinnausgleichssystematik dar, wobei Sinn und Zweck der Vorschrift nicht darin besteht, diejenige Unbilligkeit zu beseitigen, die sich aus der Systematik des Zugewinnausgleichsrechts selbst ergibt. Vielmehr kann dem ausgleichspflichtigen Ehegatten ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit nur zustehen, wenn der – bewusst in rein schematischer und pauschalierender Art gestaltete – Ausgleichsanspruch in der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Weise ausnahmsweise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht.[1]

 

Rz. 217

Ob und wann dies der Fall sein kann, hat der Gesetzgeber durch die Beispiele in § 1381 Abs. 2 BGB näher verdeutlicht, wonach grobe Unbilligkeit insbesondere dann vorliegt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte längere Zeit hindurch die aus dem ehelichen Lebensverhältnis sich ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllt hat. Ein wirtschaftlicher Bezug ist aber nicht zwingend erforderlich[2]. Auch Verstöße gegen die durch die Ehe begründeten persönlichen Pflichten, insbesondere die Unterhaltung ehewidriger oder ehebrecherischer Beziehungen, können einen Grund abgeben, die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs ganz oder teilweise zu verweigern.[3]

Ein vom Kindesvater begangener sexueller Missbrauch des gemeinsamen Kindes ist ein extrem schweres Fehlverhalten auch gegenüber der Ehefrau und Mutter des Kindes, der zum Ausschluss des Zugewinnausgleichs führen kann.[4]

 

Rz. 218

Die Unbilligkeit darf nicht nur vorübergehend bestehen. Bei einer vorübergehenden Unbilligkeit ist die Möglichkeit der Stundung nach § 1382 BGB vorrangig.[5]

 

Rz. 219

Eine Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit wird von der Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmefällen zugestanden. Hierzu einige Beispiele aus der Rechtsprechung:

Für das OLG Düsseldorf[6] können massive körperliche Misshandlungen und ehebrecherisches Verhalten grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB begründen. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall schied ein Ausschluss jedoch deswegen aus, weil das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten erwirtschaftet wurde und dieser einseitig Vermögensbildung zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehegatten betrieben hatte, um eine Alterssicherung für beide Parteien zu schaffen, die bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Unternehmens gegen den Zugriff der Gläubiger abgesichert ist.

 

Rz. 219

Nach Auffassung des OLG Köln[7] kann der Ausgleichspflichtige ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit nach § 1381 BGB haben, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bei Teilungsversteigerung eines gemeinsamen Grundstückes Alleineigentum durch Zuschlag auf ein unter dem Verkehrswert liegendes Gebot erwirbt, soweit durch den Grundstückserwerb unter Wert der Zugewinn des Ausgleichspflichtigen bereits abgeschöpft wird.

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das OLG Hamburg[8] eine grobe Unbilligkeit für möglich erachtet, wenn Eheleute während des Scheidungsprozesses ein gemeinsames Grundstück zu einem Preis veräußern, der niedriger ist als der für die Zugewinnberechnung maßgebliche Wert und sich dies nur zulasten des zugewinnausgleichspflichtigen Ehegatten nachteilig auswirkt, weil nur er einen Zugewinn erzielt hat.

Nach Auffassung des OLG Brandenburg[9] können überobligationsmäßige Mehrleistungen eines Zugewinnausgleichspflichtigen, die einen Bezug zum Vermögen aufweisen, wie dies bei zu viel gezahltem Unterhalt der Fall ist, dazu führen, dass der Zugewinnausgleichsanspruch herabgesetzt werden kann. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte über einen längeren Zeitraum (in dem zu entscheidenden Fall waren es 4 Jahre) aufgrund gerichtlicher Anordnung einen zu Unrecht überhöhten Ehegattenunterhalt gezahlt hat und ihm insofern kein Rückzahlungsanspruch zusteht. Eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Unterhaltsüberzahlung kommt aber nicht in Betracht, wenn und soweit die Rechtskraft einer gerichtlichen Unterhaltsentscheidung der Rückforderung von Unterhalt entgegensteht und die Voraussetzungen einer Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB wegen der vorsätzlichen sittenwidrigen Ausnützung eines als unrichtig erkannten Titels nicht vorliegen.[10]

Das OLG Schleswig[11] hat § 1381 BGB in einem Fall angewendet, in welchem der ausgleichspflichtige Ehegatte über keine Berufsausbildung verfügte, darüber hinaus dauerhaft erwerbsunfähig war und sein Zugewinn allein in der Wertsteigerung einer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworbenen Haushälfte bestand.

Der BGH[12] deutet an, dass die Anwendung des § 1381 BGB auch dann in Betracht kommt, wenn ei...

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