Rz. 209

Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten können unter den Voraussetzungen des § 1380 BGB als Vorausempfang auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden.

 

Rz. 210

§ 1380 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass dasjenige auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet wird, was ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet wurde, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. Die Anrechnungsbestimmung, die vor oder spätestens bei der Zuwendung erfolgen muss, ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf. Sie kann auch konkludent erfolgen.

 

Rz. 211

§ 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB legt fest, dass im Zweifel anzunehmen ist, dass Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn ein gegenteiliger Wille der Parteien bzw. des zuwendenden Ehegatten feststellbar ist.[1] Unter den Begriff des "Gelegenheitsgeschenks" fallen sowohl die allgemein üblichen Geschenke zu Fest- und Feiertagen als auch Schenkungen zu besonderen Anlässen.

 

Rz. 212

Die Zuwendungen müssen auf einem Rechtsgeschäft unter Lebenden beruhen. Eine Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und echten Schenkungen ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich[2], da sämtliche Vermögensvorteile eines Ehegatten, die dieser durch Rechtsgeschäft von dem anderen Ehegatten erhält, als Zuwendung im Sinne des § 1380 BGB zu verstehen sind. Die Zuwendung darf aber nicht geschuldet sein, es muss sich um eine freiwillige Leistung handeln.[3] Hierzu kann nach der Rechtsprechung auch nach § 1360b BGB nicht rückforderbarer überschießender Unterhalt zählen.[4] Die Zuwendungen müssen ferner während des gesetzlichen Güterstandes geleistet worden sein, wobei im Falle der Ehescheidung auf den Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages abzustellen ist.[5] Erfolgt die Zuwendung erst danach, wird es sich hierbei grundsätzlich um Leistungen an Erfüllungs Statt auf die Ausgleichsforderung handeln. Zuwendungen, die bereits vor der Erschließung erfolgen, unterfallen nicht § 1380 BGB, sofern nicht etwas anderes ehevertraglich vereinbart wird.

 

Rz. 213

Die Zuwendung ist gemäß § 1380 Abs. 2 BGB derart anzurechnen, dass der Wert der Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet wird, der die Zuwendung gemacht hat. Rechnerisch wird dies durch mehrere Schritte bewirkt: Zunächst wird in einem ersten Schritt die Zuwendung mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung wieder dem Vermögen des leistenden Ehegatten hinzugerechnet. Im Gegenzug bleibt sie in einem zweiten Schritt im Vermögen des Empfängers unberücksichtigt. Fiktiv wird also in diesen ersten beiden Schritten die Situation wiederhergestellt, die ohne die Zuwendung bestünde. Von dem aufgrund dieser fiktiven Vermögenslage errechneten Zugewinn wird dann der Wert der Zuwendung zum Zeitpunkt der Zuwendung abgezogen.

Der Wert der Zuwendung ist nach denselben Grundsätzen wie beim Anfangsvermögen hochzurechnen.[6]

 

Rz. 214

Häufig führt diese Berechnung dazu, dass sich die ehebedingte Zuwendung im Falle der Scheidung vermögensmäßig nicht auswirkt, d. h. die Ehegatten nach der Scheidung und Durchführung des Zugewinnausgleichs dasselbe Vermögen haben, als habe die Zuwendung nicht stattgefunden.

 

Rz. 215

Nach der Rechtsprechung des BGH greift § 1380 BGB überhaupt nur dann ein, wenn eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers besteht, auf die ein Vorausempfang angerechnet werden kann. Hat der Zuwendungsempfänger aber schon mehr im Voraus erhalten, als ihm als Ausgleichsforderung zustünde, so kann er nichts mehr verlangen; § 1380 BGB greift dann nicht ein.[7] Daher ist stets zu prüfen, ob der Zuwendungsempfänger mit der Zuwendung bereits mehr erhalten hat, als ihm ohne die Zuwendung als Zugewinnausgleichsanspruch zugestanden hätte. Dies ist dann der Fall, wenn die Ausgleichsberechnung unter Anwendung des § 1380 BGB ergibt, dass der Zuwendungsempfänger keine Ausgleichsforderung hat, auf die die Zuwendung angerechnet werden könnte oder dass die anzurechnende Zuwendung die Ausgleichsforderung übersteigt. Diese Konstellation wird auch als "überhöhte Zuwendung" bezeichnet.

[3] BGH, Urteil v. 24.2.1983, IX ZR 42/82, FamRZ 1983, 351.
[4] BGH, Urteil v. 24.2.1983, IX ZR 42/82, FamRZ 1983, 351.
[5] Siede, in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1380 Rn. 5.
[6] OLG Frankfurt, Urteil v. 16.11.2005, 6 UF 71/05.

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