Zusammenfassung

Verschärfte Anforderungen: Ein Unternehmen genügt seiner Pflicht nach § 20 AktG, einer Aktiengesellschaft den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung mitzuteilen, nur, wenn (1.) die Mittelung nach dem Erwerb erfolgt, (2.) der Vorstand sie als eine solche nach § 20 AktG erkennen kann und (3.) die Gesellschaft die Mitteilung ohne korrigierende Eingriffe so veröffentlichen kann, dass sich die Art der Beteiligung und der Inhaber für die Öffentlichkeit zweifelsfrei ergeben.

Hintergrund

Die Beklagte erwarb mit Wirkung zum 31.12.2002 sämtliche Aktien der Klägerin. Da der Erwerb der Zustimmung der Hauptversammlung der Klägerin bedurfte, übersandte sie dem Vorstand der Klägerin zu diesem Zweck den Kaufvertrag oder jedenfalls dessen Entwurfsfassung. Die Klägerin forderte nach einigen Jahren die gezahlten Dividenden zurück, mit der Begründung, die Beklagte habe ihrer Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG nicht genügt. Das Landgericht und das OLG Hamburg wiesen die Klage ab, auf die Revision der Klägerin hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Berufungsurteil auf.

BGH, Urteil v. 5.4.2016, II ZR 268/14

Dem BGH genügte die bloße Übersendung des Kaufvertrags oder Kaufvertragsentwurfs zur Erfüllung der Mitteilungspflicht nicht. Im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 22.04.1991, Az. II ZR 231/90) verlangt der BGH, dass die Gesellschaft die Beteiligung und deren Inhaber so, wie sie ihr mitgeteilt worden sind, bekannt machen kann:

  • Erstens, müssen daher die Art der Beteiligung und der Inhaber der Beteiligung in der Mitteilung eindeutig ersichtlich sein, so dass die Öffentlichkeit durch die entsprechende Bekanntmachung zweifelsfrei informiert wird; und
  • zweitens muss für den Vorstand der Aktiengesellschaft anhand der Form und des Inhaltes des Dokumentes eindeutig erkennbar sein, dass es sich um eine Mitteilung im Sinne von § 20 AktG handelt.

Die bloße Übersendung eines Kaufvertrages oder gar eines Entwurfs erfüllt keines dieser Kriterien. Es handele sich noch nicht einmal um eine schriftliche Mitteilung, da die Vertragsurkunde selbst keine Mitteilung der Aktionärin an die Gesellschaft enthalte. Der erst in der Zukunft liegende Erwerb, erst Recht bei Übersendung eines bloßen Entwurfs, bürde der Gesellschaft zudem eine Überwachungspflicht auf, ob und wann die Beteiligung wirksam zustande komme, damit die Gesellschaft dann ihre Pflicht zur Bekanntmachung der Beteiligung richtig erfüllen kann. Dies sollte durch die gesetzliche Mitteilungspflicht jedoch gerade vermieden werden. Der BGH verwies die Sache zur Entscheidung an das OLG Hamburg zurück, da ihm insbesondere Feststellungen zu einem etwaigen Begleitschreiben fehlten, mit dem der Kaufvertrag übersandt wurde.

 
Anmerkung

Sobald einem Unternehmen unmittelbar oder mittelbar mehr als 25% der Aktien einer deutschen, nicht börsennotierten Aktiengesellschaft gehören, hat es dies der Gesellschaft gem. § 20 Abs. 1 AktG unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Die Gesellschaft muss die Beteiligung dann im Bundesanzeiger bekannt machen (§ 20 Abs. 6 AktG). Solange die Mitteilungspflicht gegenüber der Gesellschaft nicht erfüllt wird, stehen dem Aktionär keine Rechte (z.B. Stimm- und Dividendenbezugsrechte) aus den betroffenen Aktien zu (§ 20 Abs. 7 AktG). Hauptversammlungsbeschlüsse können daher angefochten werden, wenn eine Mitteilung nach § 20 AktG nicht ordnungsgemäß erfolgte. Die Dividende kann ausnahmsweise noch verlangt werden, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und unverzüglich nachgeholt worden ist (§ 20 Abs. 7 Satz 2 AktG); hierfür trägt der Aktionär, der die Mitteilung unterlassen hat, die Darlegungs- und Beweislast.

Zweck der Regelung ist, Aktionäre, Gläubiger und Öffentlichkeit über Konzernverbindungen zu unterrichten. Der BGH stellt in seinem neuen Urteil zu Recht strenge Anforderungen an die Mitteilung auf. In der Vergangenheit hatten Obergerichte auch inzidente Mitteilungen genügen lassen, zum Beispiel Mitteilungen des Erwerbs von Namensaktien zur Eintragung in das Aktienregister nach § 67 AktG. Es genügte, wenn der Vorstand die Höhe der Beteiligung daraus ableiten konnte (vgl. OLG München Urteil v. 28.07.2010, Az. 7 AktG 2/10). Vor dem Hintergrund des neuen Urteils des BGH sollten Aktionäre künftig jedoch stets darauf achten, Mitteilungen nach § 20 AktG ausdrücklich als solche zu bezeichnen und die Art und Höhe der Beteiligung übersichtlich anzugeben. Sonst droht im schlimmsten Fall später die Rückforderung gezahlter Dividenden für mehrere Jahre und die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen.

Die Anforderungen an die Beteiligungstransparenz bei börsennotierten Gesellschaften sind höher: Hier sind bereits Beteiligungen ab einer Höhe von 3 % nach §§ 21 ff. WpHG zu melden und es bestehen zahlreiche, komplexe Zurechnungsvorschriften für Konzernunternehmen. Die Rechtsfolgen einer unterlassenen Mitteilung entsprechen § 20 AktG.

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