Entscheidungsstichwort (Thema)

abhängiges Beschäftigungsverhältnis, selbständige Tätigkeit, Soloauftritt, Weisungsabhängigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine an einem Theater fest angestellte Orchestermusikerin, die im Rahmen einer Konzertreihe in demselben Betrieb als Solistin auftritt, übt keine selbständige Tätigkeit aus. Das bei diesem Arbeitgeber für diesen Soloauftritt gezahlte Honorar unterliegt deshalb der Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.

 

Normenkette

SGB IV §§ 28d, 14, 7; SGB V § 5 Abs. 1; SGB VI § 1 Nr. 1; SGB XI § 20; SGB III § 25 Abs. 1

 

Beteiligte

Barmer Ersatzkasse, vertreten durch den Vorstand

1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte

Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hessen

Geschäftsführung

2. Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Entscheidung vom 13.01.1999; Aktenzeichen S 9 KR 431/98)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein an die Klägerin gezahltes Honorar für eine solistische Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist.

Die am 31. Januar 1968 geborene Klägerin ist als Orchestermusikerin bei der Beigeladenen zu 3) (Stadttheater G.) fest angestellt. Laut Arbeitsvertrag vom 19. März 1992 ist die Klägerin zum Spielen des Instrumentes Violine verpflichtet. Maßgebend für das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für Musiker und Kulturorchester vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung. Im Rahmen einer Symphoniekonzertreihe trat die Klägerin am 13. Oktober 1996, 14. Oktober 1996 und 22. März 1997 als Solistin auf. Laut einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) erhielt die Klägerin für das Konzert am 22. März 1997 DM 750,00 und für die Auftritte am 13. und 14. Oktober 1996 DM 2.000,00 Honorar.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 bat die Beigeladene zu 3) die Beklagte um Prüfung, ob für die Honorare Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen seien. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 fest, dass das gezahlte Honorar sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt sei. Sie bezog sich auf ein Urteil des Landessozialgerichtes Saarland vom 4. August 1981 (Az.: L 1 K 10/80).

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, bei der streitigen solistischen Tätigkeit handele es sich um ein außerhalb der arbeitsvertraglichen Verpflichtung liegende Beschäftigung. Die Honorare seien nicht sozialversicherungspflichtiges Entgelt. Die Klägerin bezog sich auf ein Urteil des Sozialgerichtes Gelsenkirchen vom 30. Januar 1986 (Az.: S 17 KR 55/85). Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, denn die Klägerin habe auch bezüglich der drei Symphoniekonzerte in einem abhängigem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die Sondervereinbarungen seien offenbar nur notwendig geworden, weil es sich bei der der Klägerin übertragenen Tätigkeit als Solistin um eine solche handele, die von ihrem Arbeitsvertrag nicht mitumfasst gewesen sei („Spielen des Instrumentes Violine, Stimmführerin 2. Violine”) und weil die Klägerin für ihre Mitwirkung bei den Konzerten ein zusätzliches Gehalt erhalten habe. Abgesehen von diesen beiden Gesichtspunkten habe sich aber die zusätzlich übernommene Arbeit wesensmäßig nicht von ihrer Haupttätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber unterschieden. Immer habe ihre Tätigkeit im Spielen der Violine bestanden. Nur während ihrer Tätigkeit im Rahmen der Sondervereinbarung sei sie als Solistin aufgetreten. Entscheidend sei, ob ein Künstler mit überregionaler künstlerischen Wertschätzung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit in der Lage sei, seine Vertragsbedingungen selbst auszuhandeln. Für eine abhängige Beschäftigung spreche jedoch eine Probenverpflichtung für den Künstler. Unter Berücksichtigung der Abgrenzungskriterien war die Beklagte der Ansicht, dass hier ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, da die Klägerin nach den schriftlichen Vereinbarungen die Verpflichtung auferlegt worden sei, an den Orchesterproben im Orchesterproberaum in Absprache mit dem Gastdirigenten im Stadttheater teilzunehmen. Auch die Programme, an denen die Klägerin als Solistin teilgenommen habe, seien von der Beigeladenen zu 3) vorgegeben worden. Allein die Tatsache, dass sie bei Erkrankung kein Honorar erhalten hätte, ändere an der Gesamtwürdigung nichts.

Am 4. März 1998 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Mit Beschluss vom 9. Juni 1998 hat das Sozialgericht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt Gießen) sowie das Stadttheater G. beigeladen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei ihren Tätigkeiten habe es sich um zwei völlig getrennte Tätigkeiten gehandelt. Bei der Solistentätigkeit sei sie der allgemeinen Betriebsordnung des Orchesters nicht unterworfen gewe...

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