Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltopferentschädigung. MdE-Bewertung. MdE-Höhe. psychische Störungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten

 

Orientierungssatz

Zur Festsetzung der Höhe der MdE nach dem Gesetz über die Versorgung von Opfern für Gewalttaten (OEG) wegen schweren psychischen Störungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.07.2005; Aktenzeichen B 9a VG 7/05 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen.

II. Kosten des Berufungsverfahrens sind einander nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG).

Die jetzt 60-jährige verheiratete Klägerin, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, lebt seit dem Jahre 1981 in Deutschland, nachdem ihr Ehemann in den 60er-Jahren nach Deutschland gekommen ist. Sie hat 5 Kinder geboren, wovon eine Tochter im Jahre 1984 Selbstmord verübte. Drei ihrer Kinder leben in Deutschland. Ihr Ehemann lebt seit ca. 1995 nach seiner Verrentung überwiegend in der Türkei. Im Jahre 1984 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Reinigungskraft im Umfang von zwei Stunden täglich auf. Seit 1986 arbeitete sie als Reinigungskraft sechseinhalb Stunden täglich auf dem Flughafen in F. a M. Seit dem Ereignis vom 2. März 1996 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt, bezog zunächst Krankengeld und nach ihrer Aussteuerung Arbeitslosengeld. Seit dem 14. Oktober 1998 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Am 2. März 1996 legte ein jugendlicher Bewohner des Mehrfamilienhauses, in dem die Klägerin damals lebte, in den Kellerräumen einen Brand. Bei dem Versuch, das Gebäude durch das Treppenhaus zu verlassen, wurde die Klägerin infolge starker Rauchentwicklung bewusstlos und erlitt eine schwere Rauchvergiftung mit Asystolie. Sie wurde reanimiert und lag einige Tage im Koma.

Am 17. Dezember 1996 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG bei dem Beklagten. Im Rahmen der Sachermittlungen zog der Beklagte Befunde der behandelnden Ärzte bei und ließ die Klägerin bei der Versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle F a M internistisch und nervenärztlich untersuchen. Dr. A kam im internistischen Gutachten vom 12. Februar 1998 zu dem Ergebnis, dass eine reizlos verheilte Narbe nach Tracheotomie bestehe, die aber keine MdE bedingen würde. Dr. T kam in ihrem Gutachten vom 12. Februar 1998 und 4. August 1998 zu dem Ergebnis, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet eine leichte Hirnleistungsschwäche nach cerebraler Hypoxie und posttraumatischer Belastungsreaktion bestehe. Die MdE betrage 30 v. H. Mit Bescheid vom 9. September 1998 gewährte der Beklagte Beschädigtenversorgung ab dem 1. März 1998 in Höhe einer MdE von 30 v. H. und stellte die Gesundheitsstörungen wie folgt fest:

"1.

Leichte Hirnleistungsschwäche nach cerebraler Hypoxie und posttraumatische Belastungsreaktion,

2.

reizlos verheilte Narbe nach Tracheotomie."

Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 8. Oktober 1998 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2000 zurück, nachdem er u. a. einen Befundbericht der Dipl.-Psych. G-B vom 5. Januar 1999, einen Reha-Entlassungsbericht der Klinik am S P GmbH & Co KG, B N, vom 18. November 1998 beigezogen hatte sowie ein nervenärztliches Gutachten von Dr. T vom 24. November 1999 und ein internistisches Gutachten von Dr. A vom 24. November 1999 vom Versorgungsärztlichen Dienst hatte erstellen lassen.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Februar 2000 bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Nach Einholung von Befund- und Arztberichten der behandelnden Ärzte hat das Sozialgericht ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. K nebst psychologischem Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. K vom 16. Januar 2002 eingeholt. Dr. K ist in seinen Gutachten vom 11. Januar 2002 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Brandanschlag vom 2. März 1996 ursprünglich eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst habe. Mittlerweile bestehe eine chronifizierte depressive Symptomatik im Sinne einer depressiven Episode, die vom Schweregrad zumindest als mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom zu klassifizieren sei. Testpsychologisch gesichert seien mittelgradige hirnorganische Beeinträchtigungen nach Rauchgasvergiftung und mehrtägigem Koma, die den dringenden Verdacht auf organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen begründen würden. Dies führe zu der Annahme einer MdE von 50 v. H. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Beklagte am 19. März 2002 einen Abhilfebescheid erteilt, in dem er unter Feststellung einer MdE von 50 v. H. ab dem 1. März 1998 als Schädigungsfolgen nunmehr anerkannte:

"1.

Hirnleistungsschwäche nach cerebraler Hypoxie, depressive Störung und posttraumatische Belastungsreaktion;

2.

reizlos verheilte Narbe nach Tracheotomie."

Mit Urteil vom 10. April 2002 hat das Sozialgerich...

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