Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwenbeihilfe. schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Schwerbeschädigter. 62. Lebensjahr. Berufsschadensausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Auch zur Gewährung von Witwenbeihilfe genügt es regelmäßig, wenn der verstorbene Beschädigte dadurch für mindestens 5 Jahre einen Einkommensverlust erlitten hat, daß er frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und sich zur Erlangung einer Altersversorgung auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen mußte. Dies gilt auch dann, wenn der Beschädigte in Anwendung von § 1248 Abs. 1 RVO a.F. erst mit Beendigung des 62. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (Anschluß an BSG, Urteil vom 10. Mai 1994 – 9 RV -14/93 –, in SGb 1995, S. 162 ff).

 

Normenkette

BVG § 48 Abs. 1 S. 6, § 30 Abs. 3; RVO § 1248 Abs. 1; SGB VI § 37

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 25.03.1988; Aktenzeichen S 4/V - 56/83)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.07.1997; Aktenzeichen 9 RVs 9/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Oktober 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1983 verurteilt, der Klägerin Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann … N. ab Januar 1982 zu gewähren.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 48 Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Klägerin ist die Witwe des am 20. September 1914 geborenen und am 21. Dezember 1981 gestorbenen Beschädigten … N. Dieser war als Soldat der ehemaligen deutschen Wehrmacht am 21. September 1941 so schwer verwundet worden, daß ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden mußte. Mit Umanerkennungsbescheid vom 9. November 1951 erkannte das Versorgungsamt … bei dem Beschädigten als Schädigungsfolgen „Verlust des rechten Unterschenkels infolge Minensplitterverletzung” an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. Gleichzeitig gewährte es dem Beschädigten eine Kleiderverschleißzulage. Einen Antrag auf Erhöhung der Beschädigtenrente wegen einer wesentlichen Verschlimmerung oder einen Antrag auf einkommensabhängige Leistungen nach dem BVG stellte der Beschädigte zu Lebzeiten nicht. Am 21. Dezember 1981 verstarb er an den Folgen einer Venenkathedersepsis bei toxisch bedingter Stoffwechselstörung und nachfolgendem Nierenversagen.

Am 14. Januar 1982 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenbeihilfe. Die Ermittlungen des Versorgungsamtes zum beruflichen Werdegang des Beschädigten ergaben folgendes:

Vor der Schädigung erlernte der Beschädigte den Beruf des Bäckers und arbeitete in diesem, bis er im Oktober 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach der Schädigung und dem Ausscheiden aus dem Militärdienst erhielt er ab November 1942 Versehrtengeld, war arbeitslos bis zum 3. Januar 1943 und wurde dann für ein Jahr zum Fotolaboranten umgeschult. In diesem Beruf arbeitete er sodann bei der Firma Foto-H. in R. bis zu seiner Vertreibung aus der damaligen CSSR. Nach seiner Umsiedlung in den Kreis L. nahm er eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Metallindustrie auf. Am 2. August 1976 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld bei der LVA Hessen und berief sich zur Begründung insbesondere auf seine Anerkennung als Schwerbehinderter. Ab 1. Oktober 1976 bezog er flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Schwerbehinderter, der das 62. Lebensjahr vollendet hat.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1982 lehnte das Versorgungsamt W. die Gewährung von Witwenbeihilfe mit der Begründung ab, die Witwenversorgung sei jedenfalls schädigungsbedingt nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar könne unterstellt werden, daß der Verstorbene seinen erlernten Beruf als Bäcker wegen der anerkannten Schädigungsfolgen habe aufgeben müssen. Jedoch sei er im Jahr 1943 zum Fotolaboranten umgeschult worden und habe diesen Beruf bis zu seiner Aussiedlung ausgeübt. Bis zur Erreichung der Altersgrenze habe er in vollem Umfang bei verschiedenen Firmen gearbeitet. Es könne nach den durchgeführten Überprüfungen nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Schädigungsfolgen derart negativ auf den beruflichen Werdegang ausgewirkt hätten, daß die Hinterbliebenenversorgung erheblich beeinträchtigt sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 9. November 1982 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, daß ihr verstorbener Ehemann den Beruf eines Bäckers und Konditors erlernt habe und aufgrund der Schädigungsfolgen nicht mehr habe ausüben können. Er sei nach dem Kriege gezwungen gewesen, die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters in der Metallindustrie auszuüben. Es dürfe wohl auf der Hand liegen, daß ein Hilfsarbeiter wesentlich schlechter entlohnt sei als ...

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