Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 17.03.1998; Aktenzeichen S 3 U 2160/97)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.12.1999; Aktenzeichen B 2 U 38/98 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin für ihre drei Vorstandsmitglieder Beitrage zur gesetzlichen Unfallversicherung nachzuentrichten hat.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) und seit 1. Juli 1991 Mitglied der Beklagten. Ihre drei Vorstandsmitglieder sind mit weniger als 50 % am Aktienkapital beteiligt.

Aufgrund einer Lohnbuchprüfung am 10. Oktober 1995 stellte die Beklagte fest, daß die Bezüge der Vorstandsmitglieder in den jährlichen Lohnnachweisen der Klägerin nicht angegeben und dementsprechend bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt wurden. Mit vier berichtigten Beitragsbescheiden vom 15. August 1996 forderte sie von der Klägerin daraufhin für die Jahre 1991 bis 1994 eine Nachzahlung von insgesamt 25.550,00 DM. Mit Bescheid vom 16. Januar 1997 verlangte sie außerdem Säumniszuschläge in Höhe von 1.016,00 DM. Den Widerspruch der Klägerin wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1997 als unbegründet zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Unternehmer im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sei allein die AG. Alle im Unternehmen tätigen Personen, einschließlich der angestellten Mitglieder des Vorstandes, seien danach grundsätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert. Soweit für die gesetzliche Rentenversicherung in § 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch (SGB) 6 ausdrücklich bestimmt sei, daß Vorstandsmitglieder einer AG nicht zum versicherten Kreis gehörten, und auch für die Kranken- und Arbeitslosenversicherung eine unternehmerähnliche Stellung bejaht und Versicherungspflicht verneint worden sei, sei dies für die gesetzliche Unfallversicherung ohne Bedeutung. Zum einen gebe es für diesen Bereich keine dem § 1 Satz 4 SGB 6 entsprechende Vorschrift. Zum anderen sei die Interessenlage eine andere als in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung. Dies beruhe darauf, daß in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht die soziale Schutzbedürftigkeit, sondern die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht im Vordergrund stehe und allein der Unternehmer Mitglied und zur Beitragszahlung verpflichtet sei. Diese Rechtsauffassung werde auch von allen anderen Berufsgenossenschaften geteilt. Eine abweichende Rechtsprechung sei nicht bekannt.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. November 1997 beim Sozialgericht Darmstadt (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, daß die herrschende Rechtsprechung und Literatur die Vorstandsmitglieder einer AG mangels persönlicher Abhängigkeit nicht zu den Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB 4 zahlten und diese grundlegende Vorschrift und deren Auslegung auch für die Unfallversicherung maßgeblich sei.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 15. Januar 1998 weitere Säumniszuschläge in Höhe von 3.048,00 DM für 1997 verlangt und ihre Forderung damit auf insgesamt 29.614,00 DM erhöht.

Durch Urteil vom 17. März 1998 hat das SG sämtliche Bescheide aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Berechnung der Beiträge die Bezüge der drei Vorstandsmitglieder nicht berücksichtigen dürfen, da diese in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht als von der AG als Unternehmer persönlich abhängige, weisungsgebundene Arbeitnehmer gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) oder als arbeitnehmerähnliche Personen gemäß § 539 Abs. 2 RVO versichert seien. Ihre rechtliche Position beurteile sich nach dem Aktiengesetz (AktG), das ihnen als Angehörigen eines Verfassungsorgans, das die Gesellschaft unter eigener Verantwortlichkeit zu leiten habe, eine überwiegend starke, im wesentlichen unabhängige Stellung gegenüber der Gesellschaft gebe (§§ 76, Abs. 1, 77, 78, 82 Abs. 1 AktG). Nach herrschender Auffassung werde der zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft abgeschlossene Anstellungsvertrag deshalb als selbständiger, unabhängiger Dienstvertrag angesehen, für den die Regeln des Arbeitsrechts im allgemeinen nicht gelten. Denn trotz des bestehenden Anstellungsvertrags leisteten die Vorstandsmitglieder keine weisungsgebundenen Dienste, sondern erteilten vielmehr Weisungen. Ihre Tätigkeit sei nach dem AktG mehr arbeitgeber-/unternehmerähnlich und nicht arbeitnehmerähnlich ausgestaltet. Sie seien nicht in gleicher Weise in den Arbeitsprozeß des Unternehmens eingegliedert wie andere Beschäftigte, sondern fügten sich allenfalls in die von ihnen selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein. Daß sie ihre volle Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfugung stellten und kein Unternehmerrisiko hätten, sei unerheblich. Da die Organstellung der Vorstandsmitglieder arbeitgeber-/unte...

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