Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherungsschutz. Umfang. freiwillig Versicherter. versichertes Risiko. Arbeitsunfall. Berufskrankheit. Ausschluß. Ruhen. Krankengeldspitzbetrag. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 11 Abs 4 SGB 5 befreit die gesetzliche Krankenversicherung von dem Risiko des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit.

2. Es verstößt nicht gegen das GG, daß § 11 Abs 4 SGB 5 auch für freiwillig Versicherte bei Gesundheitsschäden infolge von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten einen Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung hinsichtlich des sogenannten Krankengeldspitzbetrages ausschließt.

 

Normenkette

SGB V § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4; GG Art. 20, 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Marburg (Urteil vom 03.08.1993; Aktenzeichen S-6/Kr-423/92)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.11.1995; Aktenzeichen 1 RK 13/94)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. August 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls Anspruch auf den sogenannten Krankengeldspitzbetrag zusteht.

Der 1928 geborene Kläger ist als Selbständiger bei der Beklagten seit dem 1. April 1960 freiwillig versichertes Mitglied. Seit dem 1. Januar 1980 ist er in die höchste Beitragsklasse 611 eingestuft mit einem Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 130,00 DM täglich ab dem 22. Krankheitstag.

Bei der Beigeladenen ist der Kläger als Unternehmer ebenfalls freiwillig versichert mit einem Anspruch auf Verletztengeld in Höhe von 80,00 DM täglich, entsprechend dem Jahresarbeitsverdienst von 36.000,00 DM seit 1. Januar 1990.

Infolge eines am 27. August 1991 erlittenen Arbeitsunfalls war der Kläger bis 24. Oktober 1991 arbeitsunfähig. Im Auftrag der Beigeladenen zahlte die Beklagte an den Kläger ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 23. Oktober 1991 als vorläufige Leistung Krankengeld in Höhe des Verletztengeldes aus. Dem Kläger teilte die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 1991 mit, ihm werde ab dem 17. September 1991 ein Vorschuss auf das zu erwartende Verletztengeld in Höhe von 80,00 DM täglich gezahlt.

Mit Schreiben vom 9. März 1992 machte der Kläger geltend, er habe einen Krankengeldanspruch in Höhe von 136,00 DM pro Tag. Es stehe deshalb noch ein Differenzbetrag in Höhe von 56,00 DM täglich aus.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 16. März 1992 ab. Seit dem 1. Januar 1991 bestehe im Falle eines Arbeitsunfalls oder bei Berufskrankheit kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb entfalle ab diesem Zeitpunkt auch die Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages.

In seinem Widerspruch vom 18. März 1992 äußerte der Kläger die Auffassung, der durch seine Beitragsleistungen freiwillig aufgebaute Versicherungsschutz dürfe nicht durch eine Leistungsminderung seitens der Beklagten geschmälert werden. Am 10. Juni 1992 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 10. Juli 1992 bei dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben und geltend gemacht, sein Anspruch auf Krankengeld als freiwillig versichertes Mitglied ergebe sich aus der Kassensatzung. Es handele sich um vertragliche Ansprüche und nicht um gesetzliche Ansprüche aus der Sozialpflichtversicherung. Deshalb sei die gesetzliche Regelung, wonach in Fällen eines Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse bestehe, in seinem Falle nicht anwendbar. Diese Vorschrift wolle einen Doppelbezug von Sozialleistungen verhindern. Im Falle eines freiwillig Versicherten habe diese Vorschrift jedoch zur Folge, dass aufgrund einer geringen Versicherung bei der Berufsgenossenschaft die durch freiwillige Beitragszahlungen bei der Beklagten erworbenen Ansprüche in erheblichem Umfang gekürzt würden. Eine derartige Leistungsminderung verstoße gegen das Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip. Denn wenn kein freiwilliger Unfallversicherungsschutz bestehe, bestehe ein Anspruch auf das volle Krankengeld. Ihm müsse deshalb der Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 50,00 DM täglich gezahlt werden. Die Beklagte hat vorgetragen, auch bei freiwillig Versicherten richte sich die Leistungsverpflichtung nach den gesetzlichen Bestimmungen. In den Satzungsregelungen würden diese lediglich konkretisiert. Der Kläger habe deshalb nur einen Anspruch auf Leistungen aus seiner Unfallversicherung.

Das Sozialgericht Marburg hat durch Urteil vom 3. August 1993 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an den Kläger für die Zeit von 17. September 1991 bis 23. Oktober 1991 den sogenannten Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 50,00 DM täglich zu zahlen. Die Gesetzesauslegung der Beklagten, wonach jeglicher Anspruch auf Krankengeld durch § 11 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sei, verstoße gegen höherrangiges Recht. Insoweit habe bereits das Bundesverfassungsg...

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