keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung der Entschädigung. Wegeunfall. vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung. Verletztenrente. Strafgerichtliches Beweisergebnis. Wesentliche Ursache für den Schaden. Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Versicherter aufgrund einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung, für welche er rechtskräftig verurteilt worden ist, einen Verkehrsunfall erlitten, so kann der Unfallversicherungsträger gemäß § 101 SGB VII Leistungen ganz oder teilweise versagen.

 

Normenkette

SGB VII § 101 Abs. 2, 2 S. 1, § 7 Abs. 2; SGB I § 39 Abs. 1; StGB § 315c Abs. 1, 3, § 230

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Aktenzeichen S 16 U 2760/03)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.03.2008; Aktenzeichen B 2 U 1/07 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Entschädigung für einen als Arbeitsunfall anerkannten Wegeunfall teilweise versagt werden kann.

Der 1958 geborene Kläger nahm auf Kosten des Arbeitsamtes ab April 1996 an einer berufsfördernden Maßnahme der Firma N., Bildung und Wissen GmbH, Z-Stadt, teil. Im Rahmen dieser Maßnahme absolvierte er ab dem 9. Januar 1997 ein Praktikum bei der W-gesellschaft mbH in H-Stadt. Auf der Fahrt von seiner Wohnung A-Straße in A-Stadt nach H-Stadt kollidierte er am 31. Januar 1997 gegen 6:50 Uhr auf der Landstraße 3209 zwischen Y-Stadt und M-Stadt mit einem entgegenkommenden Pkw und zog sich eine distale Schienbeinfraktur zu. Der Kläger hatte bei Dunkelheit auf ansteigender Straße vor einer Bergkuppe und vor einer Rechtskurve eine Fahrzeugkolonne überholt, wobei es zur Kollision kam. Er war bis zum 30. Juni 1997 arbeitsunfähig. Nach dem Rentengutachten des Dr. K. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik A-Stadt (BG-Unfallklinik) vom 23. September 1997 war die Beinverletzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 30 v.H. zu bemessen.

Die Beklagte zog die Verkehrsunfallakte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau (Az.: 11 Js 4797.4/97 54 Ds) bei. Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 12. Mai 1997) und das Amtsgericht Hanau (Beschluss vom 10. Juli 1997) entzogen dem Kläger während des Ermittlungsverfahrens wegen grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen fehlerhaften Überholens vorläufig die Fahrerlaubnis und wurden auf die Beschwerde des Klägers darin durch den Beschluss des Landgerichts Hanau vom 29. Juli 1997 bestätigt. Auf die Hauptverhandlung vom 19. Januar 1998 verurteilte das Amtsgericht Hanau den Kläger wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen und entzog ihm für die Dauer von drei Monaten die Fahrerlaubnis (§§ 315 c Abs. 1 Ziff. 2 b, Abs. 3 Ziff. 1, 230, 52, 44 StrafgesetzbuchStGB –). Aufgrund der Hauptverhandlung sah das Amtsgericht Hanau es als erwiesen an, dass der Kläger grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine Fahrzeugschlange überholt hatte, obwohl die Sicht durch Dunkelheit, eine Bergkuppe und den Kurvenbereich eingeschränkt war, so dass es zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Pkw kam, dessen Fahrerin schwer verletzt wurde. Auf die Vernehmung von sechs zur Hauptverhandlung erschienenen Zeugen wurde nach Anhörung des Klägers und Vorhalt der in der Ermittlungsakte befindlichen Zeugenangaben allseits verzichtet. Das Urteil wurde rechtskräftig. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 1998 Entschädigungsleistungen wegen des Verkehrsunfalls ab, da der innere Zusammenhang mit dem versicherten Zurückliegen des Weges durch das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Klägers nach dessen strafrechtlicher Verurteilung entfallen sei.

Die hiergegen am 17. November 1998 erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass er die Strecke erstmals befahren und es eilig gehabt habe, um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen. Er habe gehofft, von der Praktikumsfirma in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden und habe deswegen auf keinen Fall zu spät zur Arbeit kommen wollen. Auch der Unfallhergang erlaube nicht den Schluss auf eine rücksichtslose Fahrweise. Ein langsam fahrender Kastenwagen sei vor ihm hergefahren und er habe zum Überholen auf gerader Straße angesetzt, nachdem eine Geschwindigkeitsbegrenzung und ein Überholverbot aufgehoben worden seien. Während des Überholvorganges habe er bemerkt, dass noch weitere Fahrzeuge vor dem Kastenwagen gefahren seien, die er vorher nicht habe erkennen können. Erst jetzt habe er bemerkt, dass er in eine Rechtskurve hinein gefahren sei, wobei er schon in Höhe des vorderen Pkws der Kolonne gewesen sei, als er plötzlich die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Pkws gesehen habe. Er habe nur noch die Möglichkeit gehabt, den vierten Pkw schnellstens zu überholen und nach rechts auszuweichen, sei aber dabei mit dem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Erst nach seinem Unfall sei an der Unfallstelle ein Verkehrsschild mit Überholverbot und Geschwindi...

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