Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Arten des Anspruchs auf Krankengeld. Arbeitsunfähigkeitsmeldung. Antrag auf Sozialleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Frist des § 216 Abs. 3 RVO handelt es sich um eine Ausschlußfrist.

2. Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitsamt reicht nicht aus, die Frist des § 216 Abs. 3 RVO zu wahren.

3. Die Arbeitsunfähigkeitsmeldung ist im Rahmen des § 216 Abs. 3 RVO nicht als Leistungsbegehren, sondern allein als Mitteilung über den Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherungsträger von Bedeutung. Um eine auf Gewährung von Leistungen gerichtete Willenserklärung handelt es sich dabei nicht. § 16 Abs. 2 SGB I ist daher weder direkt noch entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift dient dem Schutz des Leistungsberechtigten, dem durch Fehler bei der Antragstellung keine Leistungseinbuße entstehen soll. § 216 Abs. 3 RVO will es hingegen der Krankenkasse ermöglichen, der gesetzlichen Pflicht aus § 369 b Abs. 1 Nr. 1 RVO nachzukommen.

 

Normenkette

RVO § 216 Abs. 3, § 369b Abs. 1 Nr. 1; SGB I § 16 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 25.01.1980; Aktenzeichen S 2/Kr - 52/78)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.1981; Aktenzeichen 3 RK 59/80)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Januar 1980 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Krankengeld für die Zeit vom 2.11.1977 bis 17.11.1977 wegen nichtrechtzeitiger Krankmeldung gemäß § 216 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) ruht.

Der 1943 geborene Kläger bezog seit 1.3.1977 unterbrochen durch die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 13.9. bis 21.9.1977 vom Arbeitsamt W. Arbeitslosengeld und wurde auf eigenen Wunsch bei der Beklagten, der er zuvor als Mitglied angehörte, weiterversichert. Am 3.11.1977 stellte Dr. S. wegen einer Schnittverletzung die Arbeitsunfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 2.11.1977 bis 20.11.1977 fest. Die für den Arbeitgeber bestimmte Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde dem Kläger ausgehändigt und ging lt. Eingangsstempel am 7.11.1977 beim Arbeitsamt W. ein. Die für die Krankenkasse bestimmte Durchschrift der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde nach Mitteilung des Dr. S. über die Bezirksstelle der Kassenärztlichen Vereinigung F. an die Beklagte weitergeleitet; ein Zugang bei der Beklagten ließ sich jedoch nicht feststellen. Die Beklagte erhielt durch eine am 18.11.1977 eingegangene Meldung des Arbeitsamtes W. gemäß § 155 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von der Erkrankung des Klägers Kenntnis. Mit am 27.12.1977 eingegangenem Schreiben vom 20.12.1977 teilte der Kläger der Beklagten unter Bezugnahme auf ein mit der Mitarbeiterin Fräulein F. am gleichen Tage geführtes Telefongespräch mit, daß er vom 2.11.1977 bis einschließlich 20.11.1977 erkrankt gewesen sei. Ein früheres Schreiben der Beklagten vom 22.12.1977, mit dem der Kläger wegen eines vom Arbeitsamt W. angemeldeten Ersatzanspruchs für die Zeit vom 2.11. bis 9.11.1977 um Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und um Erklärung gebeten wurde, warum bisher keine Krankmeldung erfolgte, beantwortete er am 28.12.1977 dahin, daß der Mitarbeiterin der Beklagten spätestens nach seinem Anruf und seinem Schreiben vom 20.12.1977 bekannt sein müsse, daß der behandelnde Arzt ihm nur die für den Arbeitgeber bestimmte Ausfertigung der Krankmeldung ausgehändigt habe. Der Kläger legte dazu ein von Dr. S. am 27.12.1977 ausgestelltes „Duplikat” einer Arbeitsbescheinigung vor.

Durch Bescheid vom 4.1.1978 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld wegen verspäteter Meldung unter Hinweis auf § 216 Abs. 3 RVO ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 12.1.1978, mit dem er geltend machte, daß er die Erkrankung bereits am 3.11.1977 einer Mitarbeiterin der Beklagten telefonisch gemeldet und sie über die direkte Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Arzt unterrichtet habe, erklärte sich die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 4.1.1978 zur Zahlung von Krankengeld ab 18.11.1977 (Eingang der Meldung des Arbeitsamtes) bereit. Leistungen für die Zeit vom 10.11.1977 bis 17.11.1977 verweigerte sie hingegen weiterhin wegen Ruhens des Anspruchs gemäß § 216 Abs. 3 RVO. Da über telefonische Meldungen schriftliche Aktenvermerke gefertigt und sofort Krankheitsfälle angelegt würden, dies im Falle des Klägers aber nicht geschehen sei, müsse sein Vortrag, die Arbeitsunfähigkeit bereits am 3.11.1977 telefonisch angezeigt zu haben, als Schutzbehauptung gewertet werden, zumal er in offenbarem Widerspruch zu den früheren Angaben des Klägers stehe (Bescheid vom 13.2.1978; Widerspruchsbescheid vom 11.12.1978).

Am 19.12.1978 hat der Kläger Klage erhoben. Nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin hat das Sozialgericht (...

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