Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs des Apothekers für ein dem Versicherten ausgehändigtes Arzneimittel

 

Orientierungssatz

1. Durch die Abgabe eines ordnungsgemäß vertragsärztlich verordneten Arzneimittels an den Versicherten entsteht dem Inhaber der Apotheke nach § 129 SGB 5 i. V. m. dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse des Versicherten. Das Bestehen dieses formalen Kriteriums ist für das Entstehen des Vergütungsanspruchs ausreichend.

2. Der Apotheker ist verpflichtet, darauf zu achten, dass ärztliche Verordnungen ordnungsgemäß sind. Daher entsteht kein Vergütungsanspruch, wenn die geltenden Vorschriften, auch diejenigen über die Verwendung der amtlichen Vordrucke, nicht eingehalten werden.

3. Entscheidend ist, ob der verordnende Vertragsarzt aus dem Rezept ersichtlich ist und ob die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Retaxierung eines sogenannten T-Rezepts.

Für die Abgabe lenalidomid-, pomadlidomid oder thalidomidhaltiger Arzneimittel sieht der mit Wirkung zum 9. Februar 2009 eingeführte § 3a Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln- AMVV (i.d.F. vom 2. Dezember 2008) besondere Sicherheitsvorkehrungen vor, weil diese Wirkstoffe fruchtschädigend sein können. Nach § 3a Abs. 1 AMVV muss die Verschreibung von entsprechenden Arzneimitteln auf einem nummerierten zweiteiligen amtlichen Vordruck des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen. Abs. 2 sieht vor, dass die Verschreibungen

"die Bestätigung der ärztlichen Person [enthält], dass die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden, insbesondere, dass erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und dass der Patientin oder dem Patienten vor Beginn der medikamentösen Behandlung geeignete medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden. Ferner muss auf der Verschreibung vermerkt sein, ob eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete erfolgt."

Abs. 6 sieht vor, dass das BfArM ein Muster des Vordrucks (sog. T-Rezept) öffentlich bekannt macht. Gemäß Abs. 5 müssen ärztliche Personen diese Vordrucke beim BfArM anfordern. Nach Abs. 7 in seiner ursprünglichen Fassung übermitteln Apotheken dem BfArM vierteljährlich (seit 1. Januar 2015: wöchentlich) die Durchschriften der Vordrucke, die bei ihnen eingereicht wurden.

Am 8. Dezember 2008 erließ das BfArM eine Bekanntmachung zu lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimitteln, die die Anforderungen an die Verschreibung und Abgabe entsprechender Medikamente mit Wirkung ab dem 8. Februar 2009 beschrieb. Die Bekanntmachung enthielt auch das Muster, das seitdem - soweit hier von Belang unverändert - als Vordruck für T-Rezepte zu verwenden ist. Der Vordruck enthält zur Umsetzung des Abs. 2 vier ankreuzbare Felder.

Neben dem ersten Feld lautet der Text:

"Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten".

Neben dem zweiten Feld steht:

"Dem/der Patient(in) wurde vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt".

Neben dem dritten Feld heißt es:

"Behandlung erfolgt innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (In-Label)",

und neben dem vierten Feld:

"Behandlung erfolgt außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (Off-Label)" (Hervorh. Im Original).

Auf S. 3 der Bekanntmachung wird erläutert, dass Apotheken thalidomid- und lenalidomidhaltige Arzneimittel nur angeben dürfen, wenn

"1) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch ordnungsgemäße Markierung des entsprechenden Feldes bestätigt hat, dass die gemäß der Zulassung des entsprechenden Fertigarzneimittels im Rahmen der Verschreibung und Anwendung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden,

2) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch Markierung eines der dafür vorgesehenen Felder angegeben hat, ob es sich bei der Verschreibung um eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete handelt,

3) die Höchstmenge der verordneten lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimittel den Bedarf für vier Wochen für Frauen im gebärfähigen Alter, und ansonsten den Bedarf für zwölf Wochen nicht übersteigt, und

4) die Verschreibung von Lenalidomid bzw. Thalidomid auf dem ...

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