Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. stationäre Unterbringung. örtliche Zuständigkeit. letzter gewöhnlicher Aufenthalt vor Aufnahme in die Einrichtung. Aufenthalt in einer der Einrichtung angeschlossenen Herberge für drei Tage

 

Orientierungssatz

Durch die Aufnahme in eine einer stationären Einrichtung angeschlossene Herberge für drei Tage wird kein gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 98 Abs 2 S 1 SGB 12 begründet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene sich zunächst darüber klar werden will, ob er in den stationären Bereich der Einrichtung aufgenommen werden will, oder ob er lediglich die Zeit bis zur Aufnahme in den stationären Bereich der Einrichtung überbrücken will.

 

Normenkette

SGB XII § 106 Abs. 1 S. 1, § 98 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 97 Abs. 3 Nr. 3, § 109; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2014; Aktenzeichen B 8 SO 19/13 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 30. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens auch in der Berufungsinstanz.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 14.211,29 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht ein Erstattungsanspruch zwischen zwei Sozialhilfeträgern wegen der Kosten der stationären Betreuung eines Hilfebedürftigen in einer Facheinrichtung für wohnsitzlose Menschen in der Zeit vom 25. März 2010 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 14.211,29 Euro.

Der 1986 geborene A. lebte bis zum 20. März 2010 in A-Stadt (Rheinland-Pfalz) in der elterlichen Wohnung. Nach einem Streit mit seiner Mutter verließ er die elterliche Wohnung und meldete sich auf Anraten der ARGE Diez ab dem 21. März 2010 dort ab, um als Wohnungsloser unter 25 Jahre Tagessätze zu erhalten. Bis zum 22. März 2010 übernachtete er bei einem Bekannten in E-Stadt (Rheinland-Pfalz) und anschließend  vom 22. März bis 24. März 2010 - in B-Stadt in der Herberge des B Hauses, einer Facheinrichtung für wohnsitzlose Menschen. Am 25. März 2010 wurde Herr A. sodann in den stationären Bereich des B-Hauses aufgenommen. Der Herrn A. in der Einrichtung betreuende Sozialarbeiter C. teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 12. Mai 2010 und einem ergänzenden, von Herrn A. gegengezeichneten Schreiben vom 24. Juni 2010 mit, Herr A. habe sich in der Herberge aufgehalten, weil er aufgrund massiver Konflikte nicht mehr zuhause habe bleiben können. Seine einzige Motivation sei gewesen, ein Dach über dem Kopf zu haben. Er habe die Tage in der Herberge genutzt, um sich darüber klar zu werden, ob er sich in der Einrichtung fest aufnehmen lassen wolle. Dies sei dann am 25. März 2010 vereinbart worden. In einer von der Mitarbeiterin des Sozialamts Limburg Frau D. verfassten, von Herrn A. unterzeichneten Erklärung vom 29. Oktober 2010 wurde dagegen ausgeführt, Herrn A. hätte die Möglichkeit gehabt, in einem Wohnheim in Koblenz zu übernachten. Er habe sich aber für eine vollstationäre Aufnahme im B-Haus in B-Stadt entschieden. Dort habe er vom 22. März bis 25. März 2010 warten müssen, weil im vollstationären Bereich kein Platz vorher frei gewesen sei.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2010 übernahm der Landkreis Limburg-Weilburg als Delegationsträger des Landeswohlfahrtsverbands Hessen vorläufig die Kosten für die vollstationäre Unterbringung im B-Haus in der Zeit vom 25. März bis vorerst 24. September 2010. Diese Kostenzusage verlängerte der Landkreis Limburg-Weilburg mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 bis zum 24. März 2011.

Im Rahmen eines nachfolgenden Schriftverkehrs zwischen dem Landkreis Limburg-Weilburg, dem für A-Stadt zuständigen Rhein-Lahn-Kreises und dem Beklagten blieb die Zuständigkeit für die Leistungen an Herrn A. streitig. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2010 an den Landkreis Limburg-Weilburg lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab, weil Herr A. bereits mit der Aufnahme in die Herberge des B-Hauses einen gewöhnlichen Aufenthalt in B-Stadt begründet habe, weshalb er nicht zuständig sei.

Der hierüber vom Landkreis Limburg-Weilburg informierte Kläger hat am 14. Juni 2011 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und vorgetragen, er habe als zuständiger Kostenträger für Hilfen nach §§ 67 ff SGB XII für die Zeit vom 25. März 2010 bis 28. Februar 2011 für die Unterbringung des Herrn A. im B-Haus insgesamt 14.211,29 Euro aufgewandt. Hierbei handele es sich um den Betrag, den er dem Landkreis Limburg-Weilburg erstattet habe, welcher als Delegationsnehmer für Maßnahmen nach § 67 SGB XII die Leistungen für ihn - den Kläger - als eigentlich zuständigen überörtlichen Träger erbringe. Für die vorläufig erbrachten Kosten sei der Beklagte erstattungspflichtig. Dieser sei der nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII für die Leistung zuständige Träger, da Herr A. in dem gesetzlich maßgeblichen Zwei-Monats-Zeitraum seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung in B-Stadt in A-Stadt (Rheinland-Pfalz) gehabt habe. Nach dem Verlassen dieses Ortes habe Her...

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