Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträglicher Einbehalt rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Erstattung von Leistungen, die zu Unrecht erbracht worden sind. Rücknahme eines Beitragszuschussbewilligungsbescheides. Kenntnis der Rücknahmetatsachen. fehlerhafte Ermessensausübung des Rentenversicherungsträgers. Mitverschulden. Berücksichtigung

 

Orientierungssatz

1. Das Verwaltungsverschulden ist ein wesentlicher Umstand, den die Verwaltung bei der Ermessensausübung berücksichtigen muss. Die Nichtberücksichtigung dieses Umstandes ist ermessensfehlerhaft.

2. Die Vorschrift des § 41 Abs 1 Nr 2 SGB 10 bzgl der nachträglichen Heilung des Ermessensfehlers durch eine in der Berufungsbegründung noch erfolgte Ergänzung der Ermessenserwägungen erfasst nicht das Nachschieben bisher bei der Ermessensausübung nicht erwogener Gründe, sondern ausschließlich die nachträgliche Mitteilung der für den Erlass des Verwaltungsaktes aus damaliger Sicht maßgebender, dh berücksichtigter Gründe.

3. Die Regelung des § 45 Abs 4 S 2 SGB 10 setzt eine positive Kenntnis des Versicherungsträgers bezüglich der Tatsachen voraus, die die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 12 R 14/11 R)

 

Tenor

I. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung sowie die nachträgliche Einbehaltung rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner streitig.

Der 1943 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 11. Juli 2005 einer Altersrente nach Altersteilzeit. Im Zeitpunkt der Antragstellung war er freiwilliges Mitglied bei der A-BKK. Am 8. August 2005 teilte seine Krankenkasse ihm mit, dass er die Vorversicherungszeit für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfülle und entsprechend ab Rentenbeginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2005 die beantragte Altersrente und zog die hälftigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von dem Rentenzahlbetrag ab. Unter dem 2. Dezember 2005 bestätigte die A-BKK dem Kläger nochmals die Mitgliedschaft in der KVdR und wies in ihrem Schreiben u. a. darauf hin, dass die aus der gesetzlichen Rente zu zahlenden Beiträge direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten würden.

Anfang Mai 2006 erstattete die A-BKK eine Fehlermeldung im maschinellen KVdR-Meldeverfahren bezüglich des Krankenversicherungsverhältnisses ab dem 1. Dezember 2005. Nach dem Textinhalt bestand seit diesem Zeitpunkt eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss. Die Beklagte übersandte daraufhin am 12. Mai 2006 einen Formantrag auf Beitragszuschussgewährung an den Kläger. In dem Begleitschreiben heißt es:

“… nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht für Sie eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine Mitgliedschaft bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Damit können Sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Ihrer Rente Zuschüsse zur Krankenversicherung … erhalten.„.

Dieser stellte den Antrag sodann am 18. Mai 2006. Dabei verneinte er die Frage nach dem Bestehen von Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Ohne weitere Ermittlungen bei der A-BKK zur Art der Mitgliedschaft bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 31. Mai 2006 unter Abänderung des bisherigen Kranken- und Pflegepflichtverhältnisses ab Mai 2006 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich in 89,28 €.

Der Bescheid enthielt dabei unter der Überschrift mit Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten auf der Seite 4 folgenden Hinweis:

"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige Krankenversicherung entfällt

- mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung, - mit dem Beginn einer Beitragsfreiheit oder - bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht.

Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."

Durch eine maschinelle Datenübermittlung vom 5. Juni 2008 erlangte die Beklagte Kenntnis von der tatsächlich seit Dezember 2005 durchgängig bestehenden Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR.

Daraufhin erließ die Beklagte am 20. Juni 2008 einen Rentenbescheid, mit dem sie die Altersrente ab Juli 2008 neu festsetzte. In dem Bescheid wurde die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. Juli 2008 aufgehoben und bestimmt, dass zukünftig ein monatlicher Beitragsanteil des Rentners zur Kranken- und Pflegepflic...

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