Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Berechnung des Zuschusses gem § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 zu den ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten für aus dem Leistungssystem ausgeschlossene Auszubildende. keine Hilfebedürftigkeitsprüfung bzw Einkommensberücksichtigung nach SGB 2. Kindergeld. Wohngeld. Hinzuverdienstmöglichkeit. Regelungslücke. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 für den Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung seinem Wortlaut nach darauf abstellt, dass Auszubildende Leistungen nach dem BAföG (oder dem SGB 3) "erhalten", enthält die Vorschrift für den Anwendungsfall des § 51 Abs 4 BAföG, wonach Leistungen unterhalb einer Bagatellgrenze von 10,00 Euro nicht zur Auszahlung gelangen, eine Regelungslücke, die nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen verfassungskonform unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes des Art 3 GG auszulegen ist. Insoweit ist ein Auszubildender, der eine abstrakt förderungsfähige Ausbildung betreibt und die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach dem BAföG erfüllt, jedoch lediglich einen Förderungsbetrag zu beanspruchen hat, der unter 10,00 Euro liegt und deshalb nicht geleistet wird, einem Auszubildenden gleichzustellen, der BAföG-Leistungen tatsächlich erhält.

2. Soweit in der Rechtsprechung die Berechnung der Höhe des Zuschusses gem § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 weiterhin umstritten ist, schließt sich der Senat der (auch von den beiden anderen für die Grundsicherung zuständigen Senate des LSG Darmstadt vertretenen) Auffassung an, das sich die Höhe des Anspruchs allein aus der Höhe der ungedeckten Unterkunftskosten ergibt, ohne dass es auf eine Bedarfsprüfung bzw Einkommensanrechnung nach den Maßstäben des SGB 2 ankommt.

3. Bei der Ermittlung der ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten kommt eine Anrechnung von Kindergeld nicht in Betracht, weil für Auszubildende mit BAföG-Bezug von einem um das Kindergeld erhöhten Bedarf auszugehen ist.

4. Ein Auszubildender darf wegen der ungedeckten Kosten der Unterkunft nicht auf die Inanspruchnahme von Wohngeld verwiesen werden.

5. Ebenso scheidet mangels Rechtsgrundlage aus, den Auszubildenden auf Hinzuverdienstmöglichkeiten zu verweisen.

 

Tenor

Unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Kassel vom 25. September 2008 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin zu 2. einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 146,30 € monatlich für die Zeit vom 10. September 2008 bis 31. August 2009 vorläufig zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist die vorläufige Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 7 des Zweiten Buchs, Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) streitig.

Die 1962 geborene Antragstellerin zu 1. und deren Tochter, die am xx.xx.1986 geborene Antragstellerin zu 2., bewohnen zusammen eine 4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 108 m², für die sie eine Kaltmiete von 240,00 € monatlich zahlen. Nach den Angaben im Mietvertrag vom 10. November 2007 sind darüber hinaus für die Betriebskosten (einschließlich Heizkosten) monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 160,00 € zu leisten. In dem Mietvertrag wird als Mieterin die Antragstellerin zu 2. bezeichnet, die den Vertrag sowie eine Anlage zum Vertrag unterschrieben hat. Die Antragstellerin zu 1. bezieht eine große Witwenrente, die seit dem 18. Januar 2008 345,67 € und seit dem 5. März 2008 348,51 € (jeweils monatlicher Zahlbetrag) beträgt, sowie Kindergeld für ihre Tochter in Höhe von 154,00 €. Die Antragstellerin zu 2. studiert an der Universität LS.. Nach dem Bescheid des Studentenwerks LS. vom 31. Juli 2008 über Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) verbleibt zwar bei der Gegenüberstellung des Bedarfs (377,00 €) und der Unterhaltsleistungen des Vaters der Antragstellerin zu 2. (372,10 €) ein offener Betrag, der jedoch nicht zur Auszahlung gelangt, weil er unter 10,00 € liegt (§ 51 Abs. 4 BAföG). Durch Bescheid vom 28. April 2008 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen an die Antragstellerin zu 1. für die Zeit vom 5. März bis 30. September 2008 (Kosten für Unterkunft und Heizung für März 2008 in Höhe von 41,80 € und für die Monate April bis September 2008 in Höhe von jeweils 46,44 €). Auf den Widerspruch der Antragstellerin zu 1. vom 15. Mai 2008, mit dem diese die Anrechnung des Kindergeldes bei ihr als Einkommen rügte, half die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 16. Mai 2008 ab und gelangte nunmehr zu folgenden Leistungsbeträgen (jeweils Kosten der Unterkunft zu Gunsten der Antragstellerin zu 1.): 5. bis 31. März 2008 121,10 € und 1. April bis 30. September 2008 134,55 €. Eine Anpassung der Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2008 erfolgte mit ...

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