Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlerhafter Interpretation des Gesetzes durch den Berufungskläger

 

Orientierungssatz

1. Hat der Kläger die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG versäumt, so ist die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

2. Ausnahmsweise beträgt die Berufungsfrist nach § 66 Abs. 2 SGG ein Jahr, wenn die Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist. Ist der Kläger zutreffend auf die Möglichkeit der Berufung hingewiesen worden, so stehen ihm andere Rechtsmittel nicht zur Verfügung.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG ist abzulehnen, wenn der Kläger es selbst zu vertreten hat, dass er die Berufungsfrist versäumt hat. Hat er aufgrund einer fehlerhaften Auslegung der §§ 105 Abs. 2 S. 3, 202 SGG, 321a ZPO statt der zulässigen Berufung einen anderen Rechtsbehelf eingelegt, so muss er sich seine eigene fehlerhafte Gesetzesinterpretation als eigenes Verschulden zurechnen lassen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.09.2005; Aktenzeichen B 1 KR 9/05 BH)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. Juni 2004 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1998 verstorbene Mutter des Klägers, B. B., befand sich in der Zeit vom 11. Dezember 1997 bis 14. Januar 1998 in stationärer Krankenhausbehandlung im ...-Krankenhaus A-Stadt. Für die Zeit ihrer Behandlung hatte sie mit dem Chefarzt der Klinik, Prof. Dr. C., eine Wahlarztvereinbarung über eine Behandlung als Privatpatientin abgeschlossen.

Im Mai 1998 legte der Kläger der Beklagten eine Rechnung von Prof. Dr. C. vom 4. Mai 1998 über insgesamt 4.101,94 DM (2097,29 EUR) zur Erstattung vor, mit der u.a. wiederholt die GOÄ-Leistung Ziffer 792 (ärztliche Betreuung bei Hämodialyse) abgerechnet worden war. Die Beklagte lehnte eine Erstattung mit der Begründung ab, sie habe dem Krankenhaus seine Leistungen durch die Zahlung der Pflegesätze abgegolten. Die eingereichte Rechnung vom 4. Mai 1998 enthalte ausnahmslos durch die Wahlarztvereinbarung entstandene Kosten, deren Erstattung nicht Teil der Kassenleistung sei. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. August 2000, S 6 KR 183/99; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Juli 2001, L 14 KR 1213/00).

Auf einen Überprüfungsantrag des Klägers vom 27. März 2002 wiederholte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2002 und Widerspruchsbescheid vom 25. November 2002 ihre Ablehnungsentscheidung.

Die dagegen am 13. Januar 2003 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2004 abgewiesen. Der Kläger habe, wie bereits in den vorangegangenen Gerichtsverfahren geklärt, keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die privatärztliche Behandlung seiner verstorbenen Mutter durch Prof. Dr. C. in Höhe von 2097,29 EUR. Die Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids hat den Kläger auf die Möglichkeit der Berufung zum Landessozialgericht hingewiesen.

Gegen den ihm am 25. Juni 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit am 26. Juli 2004 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz "Anträge nach §§ 105 Abs. 2 S. 3, 202 SGG, 321 a ZPO" gestellt und den "Verstoß gegen diverse Prozessgrundrechte" gerügt. Hilfsweise hat er beantragt, vor dem Sozialgericht mündlich zu verhandeln.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15. November 2004 die Rüge des Klägers gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 321 a ZPO als unzulässig verworfen. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs sei nur statthaft gegen Urteile bzw. Gerichtsbescheide, die mit der Berufung nicht angefochten werden könnten; der Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2004 sei jedoch berufungsfähig. Zudem habe der Kläger die in § 321 a Abs. 2 S. 2 ZPO vorgeschriebene Frist von 2 Wochen, innerhalb derer die Rüge zu erheben sei, nicht eingehalten.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2004 hat der Kläger sich an das Hessische Landessozialgericht gewandt und mitgeteilt, dass die Anträge nach §§ 105 Abs. 2 S. 3, 202 SGG, 321 a ZPO gleichzeitig als Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts anzusehen seien, wobei hinzu trete, dass aufgrund des gestellten Antrages auf mündliche Verhandlung das Verfahren vor dem Sozialgericht ohnehin fortgesetzt werden müsse. Das Hessische Landessozialgericht sei deshalb für die Berufung derzeit nicht zuständig, da zunächst die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht durchzuführen sei. Klagegegenstand sei erstrangig das Verlangen nach einer Leistung der Beklagten aus der GOÄ Ziffer 792 in Höhe eines Gesamtbetrages von 1.885,01 EUR. Hierüber wie auch über andere von ihm gestellte Anträge habe das Sozialgericht willkürlich nicht entschieden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Verfahren an das Sozialgericht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzugeben,

hilfsweise,

den Gerichtsbe...

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