Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheit. Übergangsfrist zur Kostensenkung. verfassungskonforme Auslegung. Unzulässigkeit der Pauschalierung von Unterkunftskosten

 

Orientierungssatz

1. Hat der Grundsicherungsträger den Arbeitsuchenden aufgefordert die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken, hat er aber nicht rechtzeitig über die Anträge auf Übernahme der Mietkaution für eine avisierte neue angemessene Unterkunft und die Umzugskosten entschieden, so ist es dem Arbeitsuchenden nicht zuzumuten die Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 zu senken und diese sind in tatsächlicher Höhe für die Übergangszeit von 6 Monaten zu übernehmen.

2. Die den angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen für die Unterkunft sind nicht nach für eine Übergangszeit iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige vor In-Kraft-Treten des SGB 2 einen Anspruch nur auf Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten nach sozialhilferechtlichen Vorschriften hatte. Art 3 Abs 1 GG wird hierdurch nicht verletzt. (entgegen LSG Schleswig vom 25.5.2005 - L 6 B 52/05 AS ER = FEVS 57, 102).

3. § 27 Nr 1 SGB 2 enthält zwar eine Verordnungsermächtigung zur Pauschalierung der Kosten für Unterkunft und Heizung, von der das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aber bisher keinen Gebrauch gemacht hat und voraussichtlich auch nicht machen wird. Eine Pauschalierung der berücksichtigungsfähigen Kosten für die Unterkunft ist daher ausgeschlossen. Daraus folgt allerdings nicht, dass die Unterkunftskosten in jedem Fall in tatsächlicher Höhe übernommen werden müssen.

4. Zur Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 6. Juli 2005, durch den der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde, geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe (276,81 EUR monatlich) für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. H. aus K. bewilligt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe.

Der Antragsteller bezog bis zum 31. Dezember 2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Stadt K. Am 4. Oktober 2004 beantragte er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit ab 1. Januar 2005, die die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. November 2004 in Höhe von 622 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 bewilligte. Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin Kosten für die Unterkunft in Höhe von 236 EUR und für Heizung in Höhe von 41 EUR monatlich.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3. Dezember 2004 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. November 2004 ein. Zur Begründung führte er aus, die Unterkunfts- und Heizkosten beliefen sich auf monatlich insgesamt 312,54 EUR (Grundmiete 195 EUR zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 81,81 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 35,79 EUR). Er bewohne eine angemessen große Wohnung von 42 qm, deren Kosten sich ebenfalls im angemessenen Rahmen hielten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 22 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Stadt K. habe sich vor Inkrafttreten des SGB II in der Funktion als kommunaler Sozialhilfeträger intensiv mit der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung auseinandergesetzt. Ein maßgebliches Kriterium sei hierbei die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen gewesen. Zur Bestimmung der Höhe angemessener Unterkunftskosten (ohne Heizkosten) würden als Maßstab der örtliche Mietspiegel, an dessen Stelle oder ergänzend auch die Kosten herangezogen, die den nach Haushalts- und Gemeindegrößen sowie Ausstattung und Bezugsfertigkeit des Wohnraums jeweils unterschiedlichen Höchstbetrag in der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) nicht überstiegen. Nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. vom 31. August 2004 (Nr. X. und der Anlage 5) würden im Rahmen der Grundsicherung nach § 22 SGB II Leistungen für die Unterkunft für einen Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 236 EUR und Heizkosten in Höhe von 41 EUR pauschaliert erbracht. Die Unterkunfts- und Heizkosten seien von der Stadt K. auch im Rahmen der Sozialhilfegewährung bis zum 31. Dezember 2004 pauschaliert erbracht worden. Die monatlichen Aufwendungen des Antragstellers überstiegen den angemessenen Umfan...

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