Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung übertariflicher Zulagen auf Lohnerhöhungen. Unverlässiges Widerruf. Mitbestimmung des Betriebrats

 

Normenkette

BGB § 315; BetrVG § 87 I Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 02.09.1996; Aktenzeichen 6 Ca 13/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach vom 2. September 1996 (Az.: 6 Ca 13/96) – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.258,– DM brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen aus dem jeweiligen Nettobetrag aus je 74,– DM ab dem 1. Februar 1994 und jeweils den folgenden Monatsersten bis 1. Dezember 1995 sowie aus je 74,– DM seitdem 01.12.1994 und 01.12.1995.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 51 % und die Beklagte zu 49 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Vergütung.

Die am 28. Mai 1957 geborene Klägerin ist seit langen Jahren bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in deren Dietzenbacher Betrieb angestellt. Mitte 1993 waren dort etwa 150 und Mitte 1994 etwa 130 Arbeitnehmer beschäftigt. Damals gehörte der Betrieb der T., einer Tochter der T. Es bestand ein Betriebsrat und für die T. ein Gesamtbetriebsrat. Im April 1995 wurde der Betrieb zum Teil von der Beklagten zum Teil von der T. übernommen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die zwischen den Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und verkehr (ÖTV) und der Vereinigung des verkehrsgewerbes in Hessen e.V. abgeschlossenen Tarifverträge kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit anwendbar. (Die im folgenden genannten Tarifverträge sind allesamt zwischen diesen Tarifvertragsparteien abgeschlossen.) Die Klägerin ist in die Gehaltsgruppe K 3 des Gehaltsgruppenverzeichnisses zu den Gehaltstarifverträgen eingereiht. Sie erhält gemäß Arbeitsvertrag ein außertarifliches Gehalt, das aufgeteilt ist in das Tarifgehalt und eine „freiwillige übertarifliche anrechnungsfähige Zulage”. Im November wird ein 13. Gehalt gezahlt. Das Gehalt der anderen Angestellten ist entsprechend geregelt. Die übertariflichen Zulagen sind unterschiedlich.

Am 07. Mai 1993 schlossen die Tarifvertragsparteien einen Gehaltstarifvertrag, gültig ab 01. Juli 1993. durch den die Tarifgehälter um 3,4% erhöht wurden.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die T. (im folgenden ebenfalls als Beklagte bezeichnet), richtete unter dem 26. Mai 1993 anläßlich der Tarifrunde 1993 folgendes schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

der vorstand der T. sowie die Geschäftsführung der T. hatten vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnislage und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschlossen, 100% der ab 01.03.1993 gültigen jeweiligen Tarifabschlüsse gegen freiwillige übertarifliche Zulagen zu verrechnen.

Nach Verhandlungen mit der Betriebsrätearbeitsgemeinschaft der T. sowie mit dem Gesamtbetriebsrat der T. wurde folgender Kompromiß geschlossen:

  1. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen schriftlich zugestimmt hat, werden 50% des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
  2. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat nicht gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen zugestimmt hat, werden aus rechtlichen Gründen 100% des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
  3. In den Betrieben, in denen die schriftliche Rückäußerungen der örtlichen Betriebsräte noch ausstehen, muß aus rechtlichen Gründen zunächst gem. o.g. Ziffer 2. verfahren werden. Nach Eingang der Rückäußerungen bis spätestens 30.06.1993 wird entweder rückwirkend das Prozedere gem. Ziffer 1. angewandt oder es verbleibt bei dem Prozedere gem. Ziffer 2.

In den Betrieben, in denen kein örtlicher Betriebsrat existiert, wird gem. Ziffer 1. verfahren.

Bei Rückfragen steht Ihnen der örtliche Betriebsrat bzw. die für Sie zuständige Personalabteilung zur Verfügung.

Wir bitten um Verständnis für diese Maßnahme.” Der Betriebsrat des Dietzenbacher Betriebs stimmte nicht zu.

Die Klägerin erhielt ab Juli 1993 ihr bisheriges Gehalt ohne Erhöhung unverändert weiter. Bei allen anderen Arbeitnehmern verfuhr die Beklagte ebenso.

Der Betriebsrat übergab der Beklagten am 29. April 1994 mit einem Anschreiben betreffend „Anrechnung der Tariferhöhung vom 01. Juli 1993” (Anlage zum Protokoll vom 26. November 1997) Formschreiben einer großen zahl von Beschäftigten. In diesen heißt es u. a.:

„Zur Wahrung der Ausschlußfristen des Tarifvertrages … mache ich den letztjährigen Gehaltsabschluß geltend …”

Der Manteltarifvertrag vom 07. Mai 1993 bestimmt u. a.:

„§ 18 Ausschlußfristen

1. Arbeitnehmer/Innen sind zur sofortigen Nachprüfung ihrer Gehaltsabrechnungen verpflichtet. Stimmen die geleisteten Arbeitsstunden nicht ...

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