Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung. sexuelle Belästigung. Unzumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung. Außerordentlich Kündigung wegen sexuelle Belästigung

 

Leitsatz (amtlich)

1.Die wiederholte sexuelle Belästigung weiblicher Auszubildenden ist "an sich" geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

2.Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.

3.Zur Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz.

 

Normenkette

BGB § 626; AGG § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 3; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 04.07.2011; Aktenzeichen 1 Ca 880/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Limburg an der Lahn vom 4.7.2011 - 1 Ca 880/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt einen Großhandel für Eisen, Sanitär, Heizung, Werkzeuge und Bauelemente und beschäftigt an ihrem Standort in L etwa 100 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am xxx geborene, verheiratete Kläger ist seit 15. März 1994 bei der Beklagten als Lagerarbeiter und Fahrer zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.158,88 € beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19. November 2009 (Bl. 26, 27 der Akten) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat stimmte dieser Maßnahme unter dem 19. November 2009 (Bl. 28 der Akten) zu.

Mit Schreiben vom 20. November 2009 (Bl. 12 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 23. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe im Oktober 2009, wahrscheinlich am 14.10.2009, gegen 16:15 Uhr im Lager auf Kupferrohre im Wareneingang uriniert. Dies habe der Auszubildende N beobachtet und den Lagerleiter S hiervon in der 46. Kalenderwoche informiert. In der 43. oder 44. Kalenderwoche 2009 habe der Kläger die im ersten Lehrjahr befindliche Auszubildende H, die im Wareneingang in unmittelbarer Nähe des Klägers eingesetzt war, im Bereich des unteren Rückens angefasst, als sich diese an der Packtheke nach vorne beugte. Hiervon hätten die Geschäftsführerinnen der Beklagten durch das Betriebsratsmitglied P am 16. November 2009 Kenntnis erlangt. An einem Montag im September 2009 habe der Kläger die Auszubildende Z, die mit dem Auszubildenden A befreundet ist, gefragt ob sie von diesem am Wochenende schön gepoppt worden ist. Im Sommer habe die Auszubildende Z an einem Tag ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Hard-Rock-Cafe" getragen. Der Kläger habe sie gefragt, ob sie harte Titten hätte.

Der Kläger hat dies bestritten. Ausweislich der Stempelkarte (Bl. 61 der Akten) habe er am 14. Oktober den Betrieb bereits um 16:04 Uhr verlassen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts, Bl. 95R bis 96R, Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeuginnen H, K und Z sowie der Zeugen B und P ein am 19. Juli 2010 ergangenes klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die außerordentliche Kündigung sei nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Die bewiesenen sexuellen Belästigungen machten der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da es jedermann bekannt sei, dass ein derartiges Verhalten in Wort und Tat das Persönlichkeitsrecht von Mitarbeiterinnen verletzt. Im Hinblick auf die Schwere des Fehlverhaltens falle auch die Interessenabwägung trotz der mehr als 15 jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seines Alters von 58 Jahren zu dessen Lasten aus. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt, da die Beklagte dem Betriebsrat die Vorwürfe im Einzelnen geschildert habe. Die Frage, in welcher Steuerklasse der Kläger ist, und ob er gelegentlich auch als LKW-Fahrer beschäftigt wurde, sei ersichtlich für die Beklagte bei ihrem Kündigungsentschluss unerheblich gewesen. Soweit der Kläger bezweifle, dass es eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung gegeben habe, berührten mögliche Fehler in der Willensbildung des Betriebsrats die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahrens nicht.

Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. August 2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 21. September 2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 28. Oktober 2011 begründet.

Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Die Aussage der Zeugin H sei nicht glaubhaft. Es sei nicht glaubhaft, dass die Zeugin ...

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