Entscheidungsstichwort (Thema)

Unkündbarkeit. tariflicher Kündigungsausschluss

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 23 Abs. 3 des Manteltarifvertrages für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 ist als Ausgleichsregelung für die übergewechselten Beamten auf Lebenszeit zu verstehen. Das führt dazu, dass der Arbeitgeber im Falle der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit nicht zum Ausspruch einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung berechtigt ist.

 

Normenkette

TVG § 1; BetrVG § 102 Abs. 2 S. 1; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 5 Ca 564/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.01.2006; Aktenzeichen 2 AZR 242/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 07. April 2004 (Az.: 5 Ca 564/03) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier krankheitsbedingter Kündigungen.

Die Beklagte ist ein aus der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung hervorgegangenes Flugsicherungsunternehmen. Die Beklagte nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum wahr und unterhält an verschiedenen Verkehrsflughäfen in Deutschland Niederlassungen.

Der am 23. April 1960 geborene und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bis zum Ablauf des 31. Oktober 1993 als Beamter auf Lebenszeit bei der Bundesanstalt für Flugsicherung tätig. Zum 01. November 1993 trat der Kläger unter Berücksichtigung einer Vorbeschäftigungszeit seit dem 28. September 1980 in die Dienste der Beklagten. Der Kläger übt dort die Tätigkeit eines Flugberaters aus und erhielt zuletzt eine Gesamtvergütung von EUR 4.368,00. Auf das Arbeitsverhältnis finden die bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Der Kläger fehlte wegen Arbeitsunfähigkeit durchgehend seit 21. Oktober 2002.

Am 24. September 2003 leitete die Beklagte die Anhörung des bei ihr gebildeten Betriebsrats zu einer beabsichtigten krankheitsbedingten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist des Arbeitsverhältnisses ein. Eine Stellungnahme des Betriebsrats erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 29. September 2003, dem Kläger am 30. September 2003 zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Berücksichtigung einer sozialen Auslauffrist bis zum 31. März 2004.

Mit Schreiben vom 03. Dezember 2003, auf dessen Inhalt verwiesen wird, das dem Betriebsrat am 03. Dezember 2003 übergeben wurde, leitete die Beklagte die Anhörung des Betriebsrats zu einer weiteren außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist des Arbeitsverhältnisses des Klägers ein. Mit Schreiben vom 08. Dezember 2003 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung. Nach Erhalt des Widerspruchsschreibens kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2004.

Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen beide Kündigungen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29. September 2003 sei bereits wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam, da die Beklagte eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats nicht abgewartet habe und die Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausgesprochen habe. Die Beklagte habe die für eine ordentliche Kündigung maßgebende Anhörungsfrist von einer Woche einhalten müssen. Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, beide Kündigungen seien unwirksam, da er infolge der Regelungen des Manteltarifvertrages und seines beim Überwechseln zur Beklagten aufgegebenen Beamtenstatus unkündbar sei. Dies gelte insbesondere auch für krankheitsbedingte Kündigungen, da der Manteltarifvertrag in § 23 Abs. 3 Satz 2 festlege, dass im Falle von Krankheit Entgeltfortzahlung bis zur Verrentung bzw. zur Versetzung in den Ruhestand zu zahlen sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29.09.2003, noch durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 10.12.2003 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe im Jahr 2000 an 94 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Sie habe während dieser Zeit Entgeltfortzahlung in Höhe von DM 32.426,14 geleistet. Im Jahr 2001 sei der Kläger an 37 Arbeitstagen aufgrund von Krankheit nicht in der Lage gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Sie habe Entgeltfortzahlung im Umfang von DM 13.119,65 erbracht. Im Jahr 2002 habe der Kläger insgesamt an 102 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Die Beklagte hat weiter behauptet, es sei zum Zeitpunkt der Kündigung nicht abzusehen gewesen, wann mit einer Wiedergenesung des Klägers zu rechnen gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat ...

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