Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgeld. Akzessorietät

 

Leitsatz (amtlich)

§ 3 TV Sonderzahlung begründet einen Anspruch auf Urlaubsgeld unabhängig von etwaigen Urlaubsansprüchen oder deren Realisierbarkeit.

 

Normenkette

TV über Sonderzahlung des Hess. Einzelhandels

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 14.07.1997; Aktenzeichen 2 Ca 171/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.1999; Aktenzeichen 9 AZR 158/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 14.07.1997 – 2 Ca 171/96 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.506,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 8.11.1996 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt ein tarifvertragliches Urlaubsgeld.

Sie war vom 01.03.1993 bis zum 30.04.1997 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über Sonderzahlung zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesbezirk Hessen vom 16./17. Juni 1993 (im folgenden: TV) Anwendung. Die Klägerin war vom 18.02.1995 bis zu ihrem Ausscheiden durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Sie hat die Auffassung vertreten, daß ihr für 1996 und 1997 anteilig ein Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe von DM 1.576,07 brutto gem. § 3 TV zustehe und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die klägerin DM 1.576,07 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit am 14.07.1997 verkündetem urteil – 2 Ca 171/96 – hat das Arbeitsgericht Kassel die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß das tarifvertragliche Urlaubsgeld in zweck habe, vermehrte Aufwendungen aus Anlaß des Urlaubes zu decken. Da die Klägerin infolge ihrer andauernden Arbeitsunfähigkeit Urlaub nicht habe nehmen können, bestehe folglich auch kein urlaubsgeldanspruch. Wegen des vollständigen Inhalts des Urteils wird ergänzend auf Bl. 23 – 86 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 28.07.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.08.1997 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel am selben Tage begründet. Sie greift das urteil des Arbeitsgerichts unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesarbeitsgericht an und meint, daß Urlaubsgeld nicht nur urlaubsbedingte Mehraufwendungen ausgleichen solle, sondern ein fester Bestandteil des Budgets der meisten Privathaushalte sei, schließlich sei auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall eine Urlaubsreise möglich.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel vom 14.07.1997 – 2 Ca 171/96 – die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.506,07 brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, daß nach dem TV ein Arbeitnehmer während des fraglichen Zeitraums „tätig” gewesen sein muß, um Anspruch auf urlaubsgeld zu haben.

Die Partelen haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Bl. 40 f. d.A.).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 14.07.1997 – 2 Ca 171/96 – ist begründet. Die Klägerin hat gem. § 3 TV Anspruch auf urlaubsgeld in der unstreitigen Höhe von DM 1.576,07 brutto für das Kalenderjahr 1996 und anteilig für 1997.

Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 50 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, mit Hinweisen auf die vorangegangene Rechtsprechung) sind Tarifvertragsparteien frei, Ansprüche auf Sonderzahlungen auch unter der Bezeichnung „Urlaubsgeld” zu begründen, die unabhängig davon bestehen, ob im Bezügszeitraum tatsächlich Arbeitsleistung erbracht wurde. Ob ein solches urlaubsgeld tätigkeitsunabhängig – etwa zur Belohnung erwiesener Betriebstreue – oder aber in Abhängigkeit von dem Bestehen oder dem umfang eines Urlaubsanspruchs zu zahlen ist, ist anhand des jeweils fraglichen Tarifvertrages zu ermitteln (BAG a.a.O.). Dabei ist vom Wortlaut der maßgeblichen Tarifvorschrift sowie dem tariflichen Gesamtzusammenhang auszugehen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegend in Frage stehenden Tarifvertrag ergibt sich, daß das Urlaubsgeld gem. § 3 TV für die Zeit des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses unabhängig von etwaigen Urlaubsansprüchen oder deren Realisierbarkeit geschuldet wird. Dem Wortlaut des § 3 TV ist nämlich nicht zu entnehmen, daß das tarifliche Urlaubsgeld von der Höhe des urlaubsanspruchs oder des Umfangs der Arbeitsleistung abhängig sein soll.

§ 3 Ziff. 2. a TV, wonach im Urlaubsjahr eintretende und ausscheidende Arbeitnehmer Anspruch auf soviel Zwölftel des urlaubsgeldes haben, wie sie im laufenden Urlaubsjahr volle Kalendermonate „tätig sind”, ist eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen. Diese Vorschrift regelt vielmehr lediglich d...

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