Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung von Arbeitgeber-Außenseitern in einen Verbandsarbeitskampf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gewerkschaft ist wegen des Prinzips der freien Wahl der Kampfmittel nicht gehindert, bei einem Verbandsarbeitskampf um einen erfahrungsgemäß nach Abschluß für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag auch Arbeitgeber-Außenseiter in den Streik einzubeziehen.

Hierzu bedarf es weder einer förmlichen Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen noch eines vorhergehenden Angebots der Gewerkschaft zu gesonderten Tarifverhandlungen über die auf Verbandsebene gestellten Tarifforderungen an den Außenseiter-Arbeitgeber.

2. Es ist Sache des solchermaßen in den Verbandsarbeitskampf hineingezogenen Außenseiter-Arbeitgebers, seinerseits der Gewerkschaft alsbald Verhandlungen zum Abschluß eines Firmentarifvertrages auszubieten.

3. Bei einem Solchen Angebot ist die Gewerkschaft regelmäßig gehalten, den Standpunkt des Außenseiter-Arbeitgebers und sein/Angebot zum Abschluß eines Firmentarifvertrages zunächst zur Kenntnis zu nehmen, darüber in Verhandlungen einzutreten und diesen Außenseiter aus dem Verbandsarbeitskampf alsbald herauszunehmen.

 

Normenkette

GG Art. 9; BGB § 823

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.11.1988; Aktenzeichen 2 Ca 193/87)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.04.1991; Aktenzeichen 1 AZR 332/90)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Frankfurt am Main vom7. November 1988 – 2 Ca 193/87 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten in Höhe von zuletzt 245.507,68 DM nebst Zinsen wegen des gegen die Klägerin vom 5.–20. Juni 1986 geführten Streiks.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 30.5.1986 lehnte der Landesverband Bayern der Beklagten den Schiedsspruch zur Beilegung der Lohntarifauseinandersetzung zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Z. ab (Bl. 3, 6 d. BeiA 14 BVGa 113/86 ArbG München).

Die diesbezügliche Tarifinformation Nr. 4 der Beklagten an alle Beschäftigten der bayerischen Ziegelindustrie gab der Betriebsleiter des Werkes B. der Beklagten, der Zeuge B., am 5.6.1986 um 8.15 Uhr an die Zentrale der Klägerin I., fernschriftlich durch. In dieser Information sind die einzelnen Tarifforderungen der Beklagten für den Tarifbereich Bayern den Ergebnissen des Schiedsspruchs vom 21.5.1986 gegenubergestellt (Bl. 25 d.Bei A = Bl. 107 d.A.).

Die Beklagte rief für den 5.6.1986 beginnend ihre Mitglieder zum unbefristeten Streik gegen bestimmte Mitglieder des bayerischen Z. -V. auf (Bl. 105 d.A.). In der Nacht vom 5. auf den 6.6.1986 schlossen der Betriebsleiter des Werkes B. der Klägerin und der Bezirksverband B. der Beklagten eine Notarbeitsvereinbarung (Bl. 60 d.A.).

Unter dem 6.6.1986 veröffentlichte der Bayerische Z. V. in Rundschreiben an alle Mitglieder, in dem neben einer Firma P. W. G., K., auch das Werk B. der Klägerin als unbefristet bestreiktes Z.-W. bezeichnet wird, und in dem alle „Ziegler” aufgefordert werden, sich „gegenüber den bestreikten Firmen absolut solidarisch zu verhalten” und „konkret zu helfen”, z.B. durch Abstellen bzw. Ausleihen von Gabelstaplern, Schlossern und Elektrikern (Bl. 105, 106 d.A.). Diese Firmen seien bereit …” im Interesse der gemeinsamen Sache” „den Kopf hinzuhalten” (Bl. 106 d.A.).

Am 9./10.6.1986 schloß die Beklagte mit der unstreitig nicht dem Bayerischen Z. angehörenden, vorerwähnten Firma P. G., K., einen Firmentarifvertrag ab.

Am 10.6.1986 ließ die Klägerin durch ihren B. Betriebsleiter den streikenden Mitarbeitern mitteilen, sie sei nicht Mitglied des bayerischen Z. v., weshalb sie davon ausgehen, daß „derzeit noch Friedenspflicht besteht” (Bl. 31 BeiA).

Die Klägerin unterrichtete noch am gleichen Tag in einem durch Boten überbrachten Schreiben den Landesverband Bayern der Beklagten davon, daß sie nicht Verbandsmitglied sei, für sie mithin” noch Friedenspflicht” bestehe und sie bislang nicht mit dem Ziel angesprochen sei, in Tarif Verhandlungen einzutreten. Deshalb fordere sie die Beklagte dazu auf, ihre Mitglieder zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Arbeit (in Bamberg) aufzurufen (Bl 14, 15 d.A. = Bl. 26, 27 d.Bei A.)

Am 11.6.1986 (9.30 Uhr) ließ der B. Bezirksgeschäftsführer der Beklagten beim Betriebsleiter des dortigen Werkes der Klägerin ein Schreiben vom 10.6.1986 abgeben, das dieser alsbald fernschriftlich an die Zentrale der Klägerin weiterleitete. Darin verweist die Beklagte unter Bezugnahme auf das Rundschreiben des Ziegelindustrieverbandes vom 6.6.1986, in dem die Klägerin „als eine der vom Streik betroffenen Firmen des Ziegelindustrieverbandes aufgeführt” sei, darauf, es sei „bis dato nicht erwiesen”, daß die Klägerin „dem Ziegelindustrieverband nicht mehr angehört” (Bl. 28 BeiA. = Bl. 87 d.A.). Falls „wider Erwarten” die Klägerin nicht mehr Verbandsmitglied sei, sei die Beklagte bereit, „kurzfristig” mit der Klägerin „Verhandlungen aufzunehmen” (Bl. 28 d.BeiA = Bl. 87 d.A.).

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