keine Angaben zur Anfechtbarkeit

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. Interessenausgleich. Namensliste. grobe Fehlerhaftigkeit, Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

Es stellt in der Regel eine grobe Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG dar, wenn der Arbeitgeber sämtliche gewerbliche Arbeitnehmer als vergleichbar beurteilt, sich anschließend jedoch zur Begründung möglicher berechtigter betrieblicher Bedürfnisse, die einer Sozialauswahl entgegenstehen, darauf beruft, dass einzelne Arbeitnehmer gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer Vorgesetztenfunktionen als Abteilungsleiter wahrnehmen. Allein mit der Vorgesetztenstellung kann die Herausnahme aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht begründet werden, da dies im Widerspruch zu der zunächst angenommenen grundsätzlichen Vergleichbarkeit aller gewerblichen Arbeitnehmer steht.

 

Normenkette

KSchG 1 V

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 13.05.2008; Aktenzeichen 6 Ca 548/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen 2 AZR 420/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 13.05.2008 Az. 6 Ca 548/07 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden Beklagte) ist ein tarifgebundenes Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, das automatische Türsysteme für Straßen – und Schienenfahrzeuge produziert. Sie beschäftigte zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers ca. 569 Arbeitnehmer, ferner besteht im Betrieb der Beklagten ein Betriebsrat.

Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden Kläger) ist am XX.XX.19XX geboren und hat Unterhaltsverpflichtungen gegenüber zwei Personen. Er ist seit dem 15.10.1996 als Industriemechaniker bei der Beklagten beschäftigt, sein Brutto-Monatseinkommen belief sich zuletzt auf 2626.– EUR. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 30, ferner liegt rückwirkend zum 1.6.2006 ein Gleichstellungsbescheid hinsichtlich eines GdB von 50 vor.

Mit seiner am 20.12.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigung wendet sich der Kläger gegen eine Kündigung der Beklagten vom 29.11.2007 zum 31.3.2008. Das Integrationsamt hat der beabsichtigten Kündigung mit Bescheid vom 23.11.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage B 17/ Bl. 66 – 71 d.A.) zugestimmt, dieser Bescheid ist noch nicht rechtskräftig.

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat unter dem 15.10.2007 einen Interessenausgleich (Anlage B 2 / Bl. 28 – 31 d.A.), ein Sozialplan ist gleichfalls auf den 15.10.2007 datiert (Bl. 37 – 40 d.A.) Auf den Inhalt wird Bezug genommen.

Im Interessenausgleich wird zur Frage der Personalanpassung unter Ziffer 3 b ausgeführt, Personalanpassung durch Interessenausgleich Zur Reduzierung der Personalüberhänge und zur Anpassung des Personalstandes an die längerfristig erwartete Auftragssituation werden 65 Stellen abgebaut.

Ferner heißt es unter Ziffer 4 (Personalmaßnahmen):

e) Gemeinsamt mit dem Betriebsrat wurden betrieblich notwendige Mitarbeiter definiert, deren Ausscheiden entweder zum Know-how-Verlust oder zum Verlust von Fähigkeiten oder Fertigkeiten führen würde. Diese werden aus der Sozialauswahl ausgenommen.

f) Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt wird, richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem auf der Rechtsprechung basierenden Punkteschema gemäß Anlage 1. Das Durchschnittsalter in der Fertigung beträgt mehr als 43 Jahre. Die Alterspyramide hat ihre größte Dicke jenseits der 40 und verjüngt sich stark nach unten. Um nicht zu einer noch ungünstigeren Altersverteilung zu kommen, ist es erforderlich, zumindest die derzeitige Altersstruktur nicht durch den geplanten Personalabbau zu verschlechtern. Deshalb wird zur Sicherung der Altersstruktur in der Fertigung gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 2. HS. KSchG vereinbart, dass zum Zwecke der Sozialauswahl vier Altersgruppen gebildet werden. Die 1. Gruppe reicht bis zum vollendeten 29. Lj, 2. Gruppe 30. bis vollendetes 39. Lj. 3. Gruppe 40. bis vollendetes 49. Lj., 4. Gruppe 50. bis vollendetes 59. Lj. und älter. Innerhalb der Altersgruppen sind die Mitarbeiter mit der geringsten Punktzahl entsprechend dem Verhältnis der Mitarbeiter in der jeweiligen Altersgruppe zur Anzahl der gewerblichen Mitarbeiter insgesamt vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffen.

g) Gemeinsamt mit dem Betriebsrat wurde eine namentliche Liste der zu entlassenen gewerblichen Mitarbeiter und der Angestellten (Anlage 2 und 3) erstellt, die Bestandteil dieses Interessenausgleichs sind. Sie werden in der gleichen Form wie dieser Interessenausgleich unterzeichnet und mit diesem fest verbunden.

Zu Ziffer 4 g des Interessenausgleichs legte die Beklagte eine Namensliste unter der Überschrift „Anlage 2 zum Interessenausgleich und Sozialplan vom 15.10.2007” vor, die von der Geschäftsführung und dem Betriebs...

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