Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Einbeziehung von Zahlungen für die Erreichung von Umsatzzielen bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts

 

Leitsatz (amtlich)

In die Ermittlung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG sind keine Zahlungen einzubeziehen, die für die Erreichung von Umsatzzielen geleistet werden, wenn diese für längere Zeiträume gesetzt werden (hier Abrechnungszeitraum von einem Quartal, später 6 Monate), die monatlichen Abschlagszahlungen auf die Zielerreichung während des Urlaubs fortgezahlt werden und die gesetzten Ziele unstreitig auch bei Abnahme des gesamten Urlaubs über das Jahr erreicht werden können.

Wegen der Frage der Vereinbarkeit der Annahme, dass bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts solche Vergütungsbestandteile nicht berücksichtigt werden müssen, die die Gesamtverantwortung des Arbeitnehmers für seinen Aufgabenbereich honorieren, mit der RL 2003/88/EG (vgl. EuGH 20.5.2014 - C - 539/12 - NZA 2014, 593) war die Revision zuzulassen.

 

Normenkette

RL 2003/88/EG Art. 7; BUrlG § 11; HGB §§ 65, 87 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 26 Ca 8622/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.07.2021; Aktenzeichen 9 AZR 376/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2019 – 26 Ca 8622/18 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage um weitere Urlaubsentgeltansprüche des Klägers für den Zeitraum 2015 bis 2019 konkret über die Frage, ob in deren Berechnung auch die im jeweiligen Referenzzeitraum vom Kläger verdiente variable Vergütung zu berücksichtigen ist.

Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2000 bei der Beklagten als Vertriebsbeauftragter beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag vom 9./29 Juni 2000 (Bl. 26 – 30 d.A.) wird Bezug genommen. Sein Jahreszielgehalt setzt sich zu 60 % aus einem Festgehalt und zu 40 % aus einem variablen Gehaltsbestandteil zusammen. Die Beklagte legt insofern auf Basis der jeweils gültigen Bezahlregelung, die pro Abrechnungszeitraum zwischen ihr und dem Betriebsrat vereinbart wird, für den Kläger Vertriebsziele fest. Während eines Abrechnungszeitraums -dieser betrug ursprünglich ein Quartal, seit 2017 ein Halbjahr- wird regelmäßig ein pauschaler 75%iger Abschlag auf den variablen Gehaltsbestandteil ausgezahlt. Im Monat nach Ablauf des Abrechnungszeitraums wird auf Basis der Zielerreichung der restliche auszuzahlende Betrag bzw. der Differenzbetrag berechnet.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens, ihrer Anträge, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 5. September 2019 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zwar als Stufenklage zulässig, die Auskunftsklage aber unbegründet, weil der mit ihr verfolgte Zahlungsanspruch nicht bestehe. Dementsprechend seien auch die Zahlungsanträge abweisungsreif und eine Entscheidung über die Stufenklage durch einheitliches Schlussurteil möglich. Der variable Gehaltsbestandteil des Klägers sei in die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 BUrlG nicht einzustellen. Er stelle keine Provision im Sinne von § 87 HGB dar, weil er sich an einer Zielvorgabe orientiere und nicht pro Verkauf bzw. Vermittlung geleistet werde. Die variable Vergütung sei jedoch mit einer Bezirks- und Gebietsprovision nach § 87 Abs. 2 HGB vergleichbar, weil dem Kläger auch für ohne seine Mitwirkung zustande gekommene Geschäfte Zahlungsansprüche zustünden, denn diese erhöhten den Grad seiner Zielerreichung. Seine variable Vergütung sei damit zwar abhängig von der Qualität seiner Arbeitsleistung, nicht aber von seiner regelmäßigen tatsächlichen Anwesenheit am Arbeitsplatz. Würden diese Vergütungsbestandteile gleichwohl zusätzlich bei der Durchschnittsberechnung zur Festsetzung des Urlaubsentgelts berücksichtigt, führe dies zu der von der Beklagten angenommenen unzulässigen doppelten Berücksichtigung zulasten des Arbeitgebers.

Gleiches ergebe sich daraus, dass die von der Beklagten gewährten Zahlungen auch mit einer Umsatzprovision verglichen werden könnten. Auch diese vergüteten keine laufende Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung oder vorzeitiger Erfüllung des „Solls“ eines Vertriebsrepräsentanten innerhalb einer bestimmten längeren Zeitspanne. Hierfür spreche auch der Umstand, dass im Rahmen der Ermittlung der variablen Vergütung des Klägers „Kicker“ Regelungen Anwendung fänden, die bei einer bestimmten Zielerreichung in einer bestimmten Zeitspanne zum Tragen kommen und zur nochmaligen Erhöhung der variablen Vergütung führten. Dass die betreffende Zeitspanne hier kein ganzes Geschäftsjahr, sondern einen kleineren Teil des Jahres betreffe, bedinge keine andere Bewertung.

Dieses Ergebnis sieht das Arbeitsgericht dadurch bestätigt, dass sich die varia...

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