Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung gegen 2. Versäumnisurteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vor Erlaß eines „Zweiten Versäumnisurteils” gem § 345 ZPO ist auch zu prüfen, ob das erste Versäumnisurteil gesetzmäßig ergangen ist, also auch, ob seinerzeit Säumnis vorlag. Nur bei Bejahung dieser Voraussetzungen darf ein „Zweites Versäumnisurteil” ergehen.

2. Ergeht entgegen den zu 1. aufgestellten Grundsätzen ein „Zweites Versäumnisurteil”, so ist dagegen die Berufung gemäß § 513 Abs. 2 S. 1 ZPO gegeben.

3. § 9 Abs. 5 S. 1 ArbGG erfordert, daß die Rechtsmittelbelehrung durch die Unterschrift(en) des Gerichts abgedeckt ist; eine bloße von der/den Unterschrift(en) gedeckte Verweisung auf eine Rechtsmittelbelehrung reicht demgegenüber nicht aus.

 

Normenkette

ZPO § 513 Abs. 2 S. 1, §§ 345, 218, 176; ArbGG § 9 Abs. 5 Sätze 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 18.03.1992; Aktenzeichen 7 Ca 5039/89)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.03.1994; Aktenzeichen 10 AZR 50/93)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 18. März 1992 – 7 Ca 5039/89 – aufgehoben, und der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten – einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens – bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Beitragsansprüche betreffend gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Zeitraum Januar 1986 bis Dezember 1986 einschließlich zuzüglich Zinsen (restlicher Gesamtbetrag abzüglich Gutschriften: 17.679,27 DM). Die Beklagte ist aus Sicht des Klägers ein baugewerblicher Betrieb im Sinne des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) und damit, zur Abführung des eingeklagten Betrages an ihn – den Kläger – verpflichtet.

Mit am 06. Juli 1987 eingegangenem Schriftsatz haben sich für die Beklagte die Rechtsanwälte Dr. S., B. und … gemeldet (vgl. Bl. 6 d.A.). In der Folgezeit hat das Verfahren geruht, bis auf klägerischen Antrag vom 21.11.1989 (Bl. 20 d.A.) mit Verfügung vom 04. Dezember 1989 (Bl. 35 d.A.) Termin (Gütetermin) anberaumt worden ist auf den 09. März 1990, 11.30 Uhr. Die Ladung dazu ist der Beklagten direkt am 15. Dezember 1989 zugestellt worden (ZU Bl. 36 d.A.). Im Termin vom 09. März 1990 ist für die Beklagte niemand erschienen, und auf Antrag der Klägerseite ist neuer Termin auf Mittwoch, den 22. August 1990, 11.30 Uhr, bestimmt worden (vgl. Protokoll vom 09. März 1990 = Bl. 37 d.A.). In diesem neuen Termin vom 22. August 1990 ist für die Beklagte abermals niemand erschienen, und die Klägervertreterin hat auf den ursprünglichen Antrag in Höhe von 38.767,54 DM Bezug genommen, den Klageantrag entsprechend der teilweisen Klagerücknahme vom 21. November 1989 auf 33.626,80 DM beschränkt und bezüglich dieses Betrages VU beantragt (vgl. Protokoll vom 22. August 1990 = Bl. 38 d.A.). Nach der Feststellung, daß der heutige Termin ordnungsgemäß verkündet wurde ist sodann ein Versäumnisurteil verkündet worden, wonach die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 33.626,80 DM zu zahlen, und zwar unter Auferlegung der Kosten an die Beklagte und unter Streitwertfestsetzung auf DM 38.767,54 (vgl. das schon zitierte Protokoll). Das VU ist bezüglich des Beklagtenrubrums mit Beschluß vom 05. November 1990 (Bl. 38 a und b d.A.) berichtigt worden: Angabe des Prozeßbevollmächtigten Dr. R.. Am 14. September 1990 (ZU Bl. 39 d.A.) ist das Versäumnisurteil vom 22. August 1990 der Beklagten selbst zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 17. September 1990 – eingegangenen beim Arbeitsgericht am 19. September 1990 – hat der Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. R.. Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Daraufhin ist Termin „zur Verhandlung über den Einspruch der Beklagten” anberaumt worden auf den 6. März 1991. Dieser Termin ist mehrfach verlegt worden, wobei der Beklagtenvertreter jeweils per Empfangsbekenntnis geladen worden ist, zuletzt auf den 11. März 1992. In diesem Termin ist für die Beklagte niemand erschienen, und ausweislich des Protokolls (Bl. 78 d.A.) ist auf Antrag des Klägervertreters neuer Termin bestimmt worden auf Mittwoch, den 18. März 1992, 11.30 Uhr.

In dem Termin vom 18. März 1992 war die Beklagte abermals nicht vertreten. In diesem Termin ist dann auf den Antrag des Klägers ein Zweites Versäumnisurteil verkündet würden, für dessen Tenor Tatbestand, Entscheidungsgründe, Unterschrift und Rechtsmittelbelehrung auf Bl. 82 d.A. (Vor- und Rückseite) Bezug genommen wird: Die Rechtsmittelbelehrung ist nicht unterschrieben, die Unterschrift des Vorsitzenden findet sich nach dem Hinweis:

„Rechtsmittelbelehrung siehe Rückseite! Die Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil der Entscheidung”. Für die gestellten Anträge wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 18. März 1992 (Bl. 81 d. A.).

Das genannte Urteil ist dem Beklagtenvertreter am 07. April 1992 zugestellt worden (Empfa...

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