Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstständiger Gewerbebetrieb als anderweitige Arbeit. Steuerbescheidvorlage zur Ermittlung anderweitiger Einkünfte

 

Orientierungssatz

1. Die Verpflichtung aus § 11 KSchG, zur Geringhaltung eines Schadens anderweitige Arbeit anzunehmen, läßt auch eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit zu. Bestand zudem nie Zweifel daran, dass der Arbeitnehmer einer Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers sofort nachgekommen wäre, kann hieraus keine Leistungsunwilligkeit des Arbeitnehmers abgeleitet werden.

2. Die Vorlage der amtlichen Steuerbescheide reicht aus, um die sich aus dem Betreiben des Gewerbebetriebs ergebende Vermutung anderweitiger Einkünfte zu entkäften.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 2; KSchG § 11 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 20.10.2008; Aktenzeichen 1 Ca 86/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.10.2009; Aktenzeichen 5 AZN 719/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 20. Oktober 2008 • 1 Ca 86/08 • abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.799,35 EUR (in Worten: Einundvierzigtausendsiebenhundertneunundneunzig und 35/100 Euro)brutto abzüglich von der Agentur für Arbeit gezahlter 8.643,60 EUR (in Worten: Achttausendsechshundertdreiundvierzig und 60/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus der Differenz von 3.748,16 EUR (in Worten: Dreitausendsiebenhundertachtundvierzig und 16/100 Euro) brutto und 1.440,60 EUR (in Worten: Eintausendvierhundertvierzig und 60/100 Euro) netto seit 01. April 2006, 01. Mai 2006, 01. Juni 2006, 01. Juli 2006, 01. August 2006 und 01. September 2006, aus 613,55 EUR (in Worten: Sechshundertdreizehn und 55/100 Euro) brutto (Urlaubsgeld) seit 01.07.2006, sowie aus jeweils 3.748,18 EUR (in Worten: Dreitausendsiebenhundertachtundvierzig und 18/100 Euro) brutto seit 01. Oktober 2006, 01. November 2006, 01. Dezember 2006, und aus 7.452,18 EUR (in Worten: Siebentausendvierhundertzweiundfünfzig und 18/100 Euro) brutto (Gehalt und Weihnachtsgeld) seit 01. Januar 2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 2.360,90 EUR (in Worten: Zweitausenddreihundertsechzig und 90/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 236,09 EUR (in Worten: Zweihundertsechsunddreißig und 09/100 Euro) netto seit 01. April 2006, 01. Mai 2006, 01. Juni 2006, 01. Juli 2006, 01. August 2006, 01. September 2006, 01. Oktober 2006, 01. November 2006, 01. Dezember 2006 und 01. Januar 2007 zu zahlen.

Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Annahmeverzugslohnansprüche.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das auf die Herstellung pharmazeutischer Produkte aus humanem Plasma spezialisiert ist. Der am 05. Januar 1953 geborene, verheiratete Kläger steht seit dem 01. April 1977 im Arbeitsverhältnis als Chemielaborant bei der Beklagten. Der Kläger erhielt bei der Beklagten zuletzt monatlich ein Grundgehalt in Höhe von 3.704,00 EUR, eine Erschwerniszulage in Höhe von 42,90 EUR sowie einen Zuschuss zur Kontoführungsgebühr in Höhe von 1,28 EUR. Ferner zahlte die Beklagte einen monatlichen Arbeitgeberzuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers in Höhe von 236,09 EUR, im Juni eines jeden Jahres ein Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe von 623,55 EUR und im Dezember eines jeden Jahres ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Grundgehalts.

Zwischen den Parteien waren und sind mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig. So wurde inzwischen rechtskräftig festgestellt, dass die von der Beklagten zum 31. Dezember 2005 ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Dennoch wird der Kläger von der Beklagten seit dem 29. Juni 2005 nicht beschäftigt.

Ebenfalls rechtskräftig wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger Vergütung für den Zeitraum von Oktober 2004 bis Februar 2006 zu zahlen. Auf die Urteile der erkennenden Kammer vom 27. November 2006 – 7 Sa 2180/05 – und vom 16. Februar 2009 – 7 Sa 919/06 – wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit seiner jetzt vorliegenden Klage macht der Kläger Vergütungsansprüche sowie den Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum von März 2006 bis einschließlich Dezember 2006 abzüglich der bis zum 31. August 2006 bezogenen Leistungen der Agentur für Arbeit geltend.

Auf eine entsprechende Anfrage vom 02. Februar 2007 erhielt die Beklagte am 07. Februar 2007 einen Gewerberegisterauszug der Stadt A (Bl. 161 f d.A.), wonach der Kläger zum 01. September 2005 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Kiosk” angemeldet hatte.

Der Kläger hat die Auffassung geäußert, er könne Zahlung in beantragter Höhe aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs verlangen, der Beklagten stünden keine relevanten Einwendungen hiergegen zur Verfügung, denn er sei im Klage...

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