Entscheidungsstichwort (Thema)

Statische Verweisung auf bestehenden Tarifvertrag. Tarifvertrag bei Vertragsabschluss. Bezugnahmeklausel nach Wegfall der Tarifbindung. Auslegung als Gleichstellungsabreden. Unklarheitenregel bei Altverträgen und Neuverträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

Sind Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag statisch, sind Tarifänderungen nach Ende der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht umzusetzen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 305c; TVG § 1; Mantel- und Gehaltstarifvertrag Hess. Einzelhandel; BGB §§ 133, 151, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 23.05.2013; Aktenzeichen 8 Ca 320/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 4 AZR 243/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 23. Mai 2013 - 8 Ca 320/12 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Tariflohnerhöhungen gemäß den Tarifabschlüssen der jeweiligen Gehaltstarifverträge des Hessischen Einzelhandels für die Jahre 2009 bis 2011 in Höhe von insgesamt 851,32 Euro brutto und eine Einmalzahlung in Höhe von 120,- Euro an die Klägerin weitergeben muss.

Die Klägerin ist seit 01. Mai 1995 als Buchhändlerin für ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 1.860,00 in A beschäftigt. Die Beklagte ist eine Buchhandelsgesellschaft. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die B, wurde aufgrund des Verschmelzungsvertrages und der entsprechenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 16. März 2004 auf die C verschmolzen; letztere wurde wiederum im Jahre 2010 auf die Beklagte verschmolzen. Die B war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Mitglied im Hessischen Einzelhandelsverband; mit Schreiben vom 21. Februar 2005 erklärte C den Austritt aus der Tarifbindung und wechselte in eine OT-Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 02. Mai 2005 kündigte C die Mitgliedschaftsvereinbarung zum 31. Dezember 2006 vollständig. Die Beklagte ist nicht Mitglied irgendeines tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbandes in Hessen.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der B. vom 29. November 1995 hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"§ 1 Probezeit und Anstellung

Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.12.1995 als Buchhändlerin Tarifgruppe II eingestellt.

...

§ 3 Gehaltszahlung

Tarifgehalt

DM 2.635,-- bei 28 Wochenstunden

Etwaige übertarifliche Zulage

DM

Insgesamt:

DM 2.635,--

...

Übertarifliche Bezüge sind bei Tariferhöhungen, bei Aufrücken in ein anderes Berufs- oder Tätigkeitsjahr oder bei Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe anrechenbar.

...

§ 7 Urlaub

Der Urlaub richtet sich nach den tarifvertraglichen Bestimmungen. Er beträgt demnach zur Zeit 36 Arbeitstage im Jahr.

...

§ 14 Tarifverträge

Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, findet der Mantel- und Gehaltstarifvertrag Hess. Einzelhandel in der zuletzt gültigen Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung.

..."

Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichte Kopie des Arbeitsvertrages verwiesen (Blatt 6-9 d. A.). In der Folgezeit wurden weitere Nachträge zum Arbeitsvertrag mit Datum vom 30. Oktober 2010, 20. Januar 2011, 08. März 2011 sowie 28. Januar 2012 geschlossen (Blatt 34-41 d. A.), die an keiner Stelle auf irgendeinen Tarifvertrag Bezug nehmen und allesamt am Ende den Satz enthalten: "Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort".

Mit Schreiben vom 12. September 2006, 05. Mai 2008 und 11. Mai 2008 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin auch schon mitgeteilt, dass sich ihr Gehalt erhöht habe und neu berechnet würde (Blatt 59 und 80 bis 81 d. A.). Die Schreiben vom 12. September 2006 und 05. Mai 2008 nehmen ebenfalls nicht Bezug auf irgendeinen Tarifvertrag. In dem Schreiben vom 11. August 2008 heißt es dagegen:

"Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass sich Ihr Gehalt auf Grund der Tarifverträge mit Wirkung vom 01.04.2008 erhöht hat.

Ihr Gehalt errechnet sich wie folgt:

Tarifgruppe II/E

Tarifgehalt April 2008

1.832,-- €

Tarifgehalt Mai 2008

2.290,-- €

Tarifgehalt ab Juni 2008

1.832,-- €

Als Ausgleich für den Zeitraum April 2007 bis März 2008 erhalten Sie außerdem eine Einmalzahlung von 320,-- €."

Die jeweiligen Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel in Hessen sehen in der Gehaltsstufe II nach dem 5. Tätigkeitsjahr seit dem 01. August 2009 2.336,-- Euro brutto, seit dem 01. August 2010 2.372,-- Euro brutto und seit dem 01. Juni 2011 2.443,-- Euro brutto bei einer Vollzeittätigkeit vor.

Mit Schreiben vom 01. Februar 2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter anderem die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhung seit August 2009 und die tarifliche Einmalzahlung vom März 2010 in Höhe von 120,-- Euro brutto geltend (Blatt 3 bis 5 d. A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die tariflichen Lohnerhöhungen an sie weiterzugeben. § 14 des Arbeitsvertrages könne nur dahingehend vers...

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