Entscheidungsstichwort (Thema)

Diskriminierung wegen Alter und Geschlecht. Verbot der Altersdiskriminierung. Zeitliche Begrenzung für einen geforderten Studienabschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Versicherungsgesellschaft, die ein Trainee-Programm für Berufseinsteiger ausschreibt, kann als Anforderungskriterium einen höchstens ein Jahr zurückliegenden Studienabschluss fordern, ohne dadurch andere Bewerber wegen des Alters in unzulässiger Weise zu diskriminieren.

 

Normenkette

AGG §§ 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.01.2011; Aktenzeichen 5 Ca 2491/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Januar 2011 - 5 Ca 2491/09 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch des Klägers, der bei der Besetzung ausgeschriebener Stellen nicht berücksichtigt wurde.

Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen, das im Mai 2009 mehrere Stellen für ein auf ein Jahr befristetes Trainee-Programm in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Jura ausschrieb. Wegen des Textes der im Internet veröffentlichten Ausschreibung wird auf Bl. 11 - 13 d.A. verwiesen. Unter den Anforderungskriterien benennt die Ausschreibung u.a.:

- "einen sehr guten Hochschulabschluss in einer der oben genannten Fachrichtungen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt

- qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung, z.B. durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit"

Der am 11. Mai 1973 geborene Kläger absolvierte 1999 die erste, 2001 die zweite juristische Staatsprüfung und ist seit August 2002 überwiegend als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Seine Erwerbstätigkeit unterbrach er im Jahre 2008, um in Stellenbosch (Südafrika) erfolgreich einen Studiengang mit dem Ziel eines Master of Laws zu absolvieren.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 25. März 2009 (Bl. 55f d.A.) und erhielt am 19. April 2009 eine Absage, wegen deren Wortlaut auf Bl. 14 d.A. verwiesen wird. Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juni 2009 (Bl. 58f d.A.) Ansprüche wegen Altersdiskriminierung, u.a. in Form einer Entschädigung in Höhe von 14.000,00 € geltend. Mit Schreiben vom 29. Juni 2009 (Bl. 61 d.A.) lud die Beklagte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch am 07. Juli 2009 ein, weil ihm "bedauerlicherweise mit Datum vom 10.04.2009 aus Versehen eine automatisch generierte Absage erteilt wurde, die so nicht unseren Intentionen entsprach". Der Kläger lehnte die Einladung mit Schreiben vom 30. Juni 2009 (Bl. 62 d.A.) ab und schlug stattdessen der Beklagten vor, die geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen und dann "sehr rasch über meine Zukunft bei der A" zu sprechen.

Die Beklagte besetzte die Trainee-Stellen im Fach Rechtswissenschaften mit vier weiblichen Bewerberinnen.

Mit seiner Klage vom 08. September 2009 verfolgt der Kläger seine Ansprüche gerichtlich weiter, mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 (Bl. 322f d.A.) und der Klageerweiterung vom 17. November 2010 (Bl. 334 - 336 d.A.) hat er darüber hinaus auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts geltend gemacht.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl 349 - 352 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass weder ein Anspruch auf Abgabe einer Unterlassungserklärung noch ein Zahlungsanspruch bestünde. Deshalb könne die Frage, ob die Bewerbung des Klägers überhaupt ernsthaft erfolgt sei, dahingestellt bleiben.

Zwar sei die Stellenausschreibung mittelbar diskriminierend, da die Altersgruppe derer, deren Hochschulausbildung schon länger zurückliegt und die regelmäßig über 30 Jahre alt sind, benachteiligt wird. Diese Diskriminierung sei jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt. Die Suche nach einem Berufsanfänger oder einem abschlussnahen Berufseinsteiger sei im vorliegenden Fall zulässig, da die Beklagte ein legitimes Interesse daran habe, Menschen einzustellen, die berufspraktisch unerfahren sind, um ihnen die auf die Arbeit bei der Beklagten zugeschnittenen praktischen Fähigkeiten zu vermitteln. Dieses Ziel sei auch bereits in der Stellenausschreibung angelegt, eine weitere Darlegung des Anforderungsprofils sei nicht erforderlich gewesen.

Auch von einer Diskriminierung wegen des Geschlechts könne nicht ausgegangen werden, da dem Kläger der Nachweis nicht gelungen sei, dass ihm eine weniger günstige Behandlung wegen des Geschlechts widerfahren ist. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte für die ausgeschriebenen Trainee-Stellen vier Frauen eingestellt hat, könne keine solche Schlussfolgerung gezogen werden.

Gegen dieses Urteil vom 20. Januar 2011, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger äußert die Ansicht, die v...

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